Märchenbrunnen

Märchenbrunnen

Foto: Susanne Kähler, 2007, CC-BY-4.0

Der Hauptzugang zum Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain befindet sich auf dem spitzwinkligen Dreieck, das durch das Zusammenlaufen der Straßen „Am Friedrichshain“ und „Friedenstraße“ gebildet wird. Er besteht aus einem schmiedeeisernen Tor, dessen Torflächen mit Rosetten und stilisierten Buchenblättern verziert sind, sowie aus zwei Pfeilern, die von auf Fabelwesen reitenden Putten aus Sandstein bekrönt werden (alte Nachschöpfungen nach Josef Rauch). Die gesamte sich dahinter erstreckende Anlage wird von einer Buchenhecke umgrenzt. Der mit Mosaikboden belegte und von Rosenbeeten gerahmte Zugangsweg verbreitert sich nach einigen Metern zu einem mit Blumenbeeten eingefassten Vorplatz, an dessen Ende zwei Pfeiler mit Fische tragenden Putten aus Kalkstein (neue Nachschöpfungen nach Josef Rauch) stehen. Schließlich verbreitert sich der Weg dergestalt, dass der Blick auf den Kaskadenbrunnen und den Hauptteil der Anlage freigegeben wird. Die Kaskade hat vier geschweiften Becken. Der Brunnenplatz wird rechts und links jeweils von fünf steinernen Bänken mit hohen Rückwänden aus Travertin gerahmt. Rechts und links von jeder Bank befinden sich Postamente mit gusssteinernen Obst- oder Rosenschalen. Als zwei seitliche Zugänge zum Hauptbrunnen sind als Labyrinth-artige Heckenwege angelegt, an deren Enden je zwei monumentale Hermenfiguren stehen, Darstellungen von Rübezahl und Frau Holle am rechten Seitenweg, des Menschenfressers und der Riesentochter am linken Seitenweg (alle neue Nachschöpfungen nach Georg Wrba).
Den Rand der Kaskade selbst schmücken zehn Märchenfiguren auf Postamenten (nach Ignatius Taschner, Kalkstein). Dargestellt sind Hänsel und Gretel jeweils auf einer Ente reitend, Hans im Glück, der gestiefelte Kater, Aschenbrödel, die Sieben Raben, Brüderchen und Schwesterchen, Rotkäppchen, Dornröschen und Schneewittchen. Die Figuren mit formalen Entsprechungen, z. B. Hans im Glück und der Gestiefelte Kater, stellte der Bildhauer Taschner gegenüber. Die Größe der Figuren passte er aneinander an (einige Figuren stehen, einige sitzen oder knien).
Zehn auf dem Beckenrand liegende Fabelschildkröten (Travertin, Ignatius Taschner) sind den Märchenfiguren als Ewigkeitssymbole zugeordnet. Sieben als Frösche ausgebildete Wasserspeier (Kalkstein, Ignatius Taschner, nach drei unterschiedlichen Modellen) befinden sich im Kaskadenbrunnen, vier von ihnen im obersten Bassin, drei von ihnen auf der Mitte der Wehre platziert. Dargestellt ist der Froschkönig mit seinem Gefolge. Den rückwärtigen Abschluss der Kaskade bildet eine halbrunde, neunfache Arkade mit einer Gliederung durch Pilaster. Dazu kommen die seitlichen Abschlüsse mit durch Doppelsäulen gefassten Bögen. Am rückwärtigen Beckenrand befinden sich neun als Löwenköpfe ausgebildete Wasserspeier. In jede Arkade ist eine steinerne Schale (mit Springbrunnenfunktion) eingestellt, aus der zwei Hundeköpfe schauen. Den oberen Abschluss der Arkadenreihe bildet eine Brüstung mit 14 Tierfiguren auf rechteckigen Postamenten: Vier Hirsche, Hund, Esel, Bär, Kuh, Löwe, Wolf, Hirschkuh, Schwein, Eber, Steinbock (Josef Rauch, Travertin). Die Arkade ist mit Ornamenten verziert, zu erkennen sind Meerestiere, wie Muscheln, Krebse und Fische. Hinter der Arkade führte ein weiterer Weg zu einem runden Springbrunnen, dem so genannten Delphinbrunnen, auf dessen Rand vier als Wasserspeier ausgebildete Skulpturengruppen stehen – jeweils zwei Kinder mit einem Delphin (Georg Wrba, Kalkstein). Den Weg flankieren zwei als Trinkbrunnen ausgebildete Gruppen mit je zwei Kindern (nach GeorgWrba, Sandstein). Um den Brunnen sind auf rechteckigen Postamenten vier Kind- Tiergruppen platziert: Kind mit Pelikan, mit Truthahn, mit Jagdhund, mit Steinbock (Georg Wrba, Sandstein), außerdem Bänke mit steinernen Füßen und Holzauflagen. Der Boden, sowohl um die Kaskade, als auch um den Springbrunnen, ist mit Mosaik gepflastert. Das Ende der Hauptachse markiert ein modernes eisernes Tor (Werkstatt Fritz Kühn) (Susanne Kähler).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Rauch, JosefBildhauer_In1913
Taschner, IgnatiusBildhauer_In
Wrba, GeorgBildhauer_In
Hoffmann, LudwigArchitekt_In
Stenvers, GerritBildhauer_In der Rekonstruktion
1951; Figur Froschkönig
Baldamus, SentaBildhauer_In der Rekonstruktion
1980er Jahre; Torfiguren
Werner, StefanBildhauer_In der Rekonstruktion
2005-2007; Hänsel, Gretel, gestiefelter Kater, Hans im Glück u.a.
Neumann, JörnBildhauer_In der Rekonstruktion
2005-2007; Aschenputtel
Otto, Till PeterBildhauer_In der Rekonstruktion
2005-2007; Herme Rübezahl
Strauch, RaffaelBildhauer_In der Rekonstruktion
2005-2007; Herme Menschenfresser
Rieck, Klaus W.Bildhauer_In der Rekonstruktion
2005-2007; Herme Riesentochter
Berger, UlfBildhauer_In der Rekonstruktion
2005-2007; Herme Frau Holle
Sawall, SebastianBildhauer_In der Rekonstruktion
2005-2007; Schildkrötenköpfe, Kinderköpfe beim Delphinbrunnen
Datierungshinweise
Wiederherstellungen 1950/51, um 1980, 2005-2007
Objektgeschichte
Von seiner Einweihung im Jahr 1913 bis zum Zweiten Weltkrieg ist der Brunnen nicht verändert worden. Während des Krieges bzw. in den Jahren kurz danach wurde die Anlage größtenteils zerstört. Die gärtnerische Anlage des Volksparks Friedrichhains fiel bereits Hitlers Forderung vom 9. September 1940 nach dem Bau von Flak-Türmen in Parkanlagen zum Opfer. Der Märchenbrunnen selbst erlitt seine verheerenden Beschädigungen vermutlich erst 1945 bzw. in den Jahren bis 1950. Man sprach bei den Plastiken, Bänken, Pumpanlagen und Wegen von einem Verlust von 75-100 %. Balustraden, Wasserbecken, Tore und Randbepflanzungen sollen zu 50 % beschädigt worden sein. In den Jahren 1950-1951 ist die Brunnenanlage in vereinfachter Form wieder hergestellt worden. Der Märchenbrunnen wurde bereits am 1. Juli 1951 aus Anlass der in Berlin stattfindenden III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten durch den Oberbürgermeister Friedrich Ebert wieder eingeweiht. Die Anlage des Märchenbrunnens im neuen Erscheinungsbild war das Ergebnis von Überlegungen aus dem Amt für Grünplanung und der Abteilung Volksbildung des Magistrats in Ost-Berlin. Man bevorzugte nun nicht nur aus Kostengründen eine stark vereinfachte Anlage. Der bis 1956 noch nicht unter Denkmalschutz stehende Brunnen fiel in der wiederhergestellten Version entsprechend dem ästhetischen Empfinden der 1950er Jahre wesentlich schlichter aus, der Brunnen wurde in die neue, nach damaligem Stand modernere gärtnerische Gestaltung des Parks eingebunden. Es gab keine Labyrinthgänge mehr, der intime Charakter war einer nüchternen Moderne gewichen. Die 172 m lange Hauptachse wurde um 50 m verkürzt. Man stellte nur einen Teil der ursprünglichen Figuren wieder auf und verzichtete im Sinne des neuen Stilempfindens soweit wie möglich auf dekorative Elemente wie auf die steinernen Blumen- und Fruchtschalen. Nach dem Krieg waren die noch erhaltenen Märchenfiguren im Zuge von Aufräumungsarbeiten zunächst auf einem Hinterhof der Matthiasstraße 9 abgestellt worden, bei allen Figuren, außer „Junge mit Pelikan“ waren laut Protokoll die Köpfe abgeschlagen, ein Teil der Figuren war - nach damaliger Ansicht - so stark beschädigt, dass man sie nicht mehr aufstellen konnte. Der Verbleib vieler dieser Figuren ist heute unbekannt. Im Atelier des VEB Stuck und Naturstein in der Jüdenstraße fanden die Wiederherstellungsarbeiten unter der Leitung von Karl Gölz statt. Mit der Rekonstruktion der Märchenfiguren Taschners hatte man zunächst den Bildhauer Prof. Fritz Diederich, einen Schüler Peter Breuers, beauftrag. Am 28.11.1950 wurde ihm der Auftrag wegen Krankheit wieder entzogen. Gölz gab dann den Auftrag an andere Bildhauer und Steinmetze weiter. Während Ludwig Hoffmann für die Märchenbrunnenfiguren ein französisches Material, den Euviller Kalkstein, hatte verwenden lassen, mussten sich die Bildhauer von 1950 mit einem heimischen Muschelkalk mit gröberer Struktur arrangieren. Für die damals offensichtlich nicht mehr erhaltene Figur des Froschkönigs fertigte der Bildhauer Gerrit Stenvers ein gänzlich neues Modell an und übertrug dieses in Muschelkalk. Der heutige Froschkönig ist damit als Schöpfung von Stenvers zu betrachten. Eine aufschlussreiche Abbildung des Froschkönigs von Taschner ist bis heute nicht bekannt. Weitere Aufgaben für Stenvers waren, an den Märchenbrunnenfiguren Schneewittchen, Dornröschen, Aschenputtel, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel fehlende Teile anzumodellieren und in Gips zu fertigen. So entstanden die Vorbilder für die ausführenden Steinbildhauer. Im April 1951 lieferte Stenvers einen Kostenvoranschlag für fünf neu zu arbeitende Löwenköpfe. Der Volkseigene Betrieb Naturstein erhielt im Mai 1951 den Auftrag zur Neuerstellung folgender Märchenfiguren in Stein: Schneewittchen, Dornröschen, Aschenputtel, Rotkäppchen, Hänsel, Gretel und die Sieben Raben. Bis auf die Figur „die Sieben Raben“ dienten offensichtlich die von Stenvers ergänzten Figuren als Modelle. Die Werkstatt des Steinbildhauers Walter Paul erhielt den Auftrag zur Neuerstellung der Figuren Hans im Glück, Brüderchen und Schwesterchen, Der gestiefelte Kater. Walter Pauls Werkstatt war außerdem mit der Restaurierung der Tierfiguren auf der Balustrade betraut, das Wildschwein wurde neu angefertigt, das Reh erhielt einen neuen Kopf und bei dem Wolf ergänzte man Pfoten und Kopf. In den 1980er Jahren näherte man sich wieder dem Detailreichtum der Hoffmannschen Anlage an. Es wurden weitere Figuren in der Werkstatt VEB Stuck und Naturstein unter der Leitung von Jürgen Klimes rekonstruiert und wieder aufgestellt, dazu zählen sechs Kind- und Tiergruppen am Delphinbrunnen (Rekonstruktionen aus Sandstein) sowie die in die Arkaden eingestellten Schalen mit Hundeköpfen und das Eingangstor mit den Torpfeilerfiguren. Nachdem die Brunnenanlage durch Verwitterung insbesondere aber durch starken Vandalismus in der Zeit nach der politischen Wende von 1989 in einen desolaten Zustand geraten war (Märchenfiguren waren mutwillig und kaum reparabel zertrümmert worden), konnte der Brunnen in den Jahren 2005-2007 einschließlich seiner unmittelbaren Umgebung wiederhergestellt werden. Die 1950 neu geschaffenen und jetzt zum Großteil wieder zerstörten Märchenfiguren wurden nach Modellen Taschners und nach historischen Fotographien wieder hergestellt. Nach fotografischen Vorlagen wurden auch die Hermenfiguren Wrbas sowie zwei Putten Rauchs und weitere Details rekonstruiert. Unter Berücksichtigung der ursprünglichen Intensionen Hoffmanns und unter Verwendung historischer Quellen wurden das Wegesystem (Verlängerung der Hauptachse), die Pflasterung, die gärtnerische Gestaltung (insbesondere die Einfassung der Anlage mit Buchenhecken) ebenfalls wieder hergestellt. Die Rekonstruktion der Bänke in ursprünglicher Form einschließlich ihrer Rückwände aus Travertin und der Aufstellung von rahmenden Pfeilern mit steinernen (jetzt gusssteinernen) Rosen- Obstschalen diente ebenfalls der Wiedererlangung des ursprünglichen Gesamteindrucks der Anlage. Auf einige Elemente aus der Hoffmannzeit (z. B. einige Figuren sowie zusätzliche seitliche Ausgänge) wurde mit Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten und aufgrund unklarer Vorlagen verzichtet. Die 1951 gefertigten Kopien der Märchenfiguren von Taschner werden jetzt auf dem Freiluftdepotgelände des Grünflächenamts Volkspark Friedrichshain gelagert (Susanne Kähler).
Maße
KaskadeLänge24 m
Breite20 m
BrunnenplatzLänge34 m
Breite54 m
Verwendete Materialien
gesamtTravertin
Kalkstein, Euviller
Schmiedeeisen
Sandstein
Holz
Brunnentechnik
Technik
gesamtbehauen, verschiedenste
gemeißelt
montiert
zusammengefügt
ZustandZeitpunkt
gesamtgut2010
Arkadenreihebeschmiert2010
Sitzbankrückwändebeschmiert2010
Delphinbrunnenaußer Betrieb2010
Rehohr der Gruppe Brüderlichen und Schwesterchenabgebrochen, seit 20082010
Vollständigkeit
vollständignach Wiederherstellung der Gesamtanlage 2005-2007

  Nachweise

  • Berger, Ursel: Ignatius Taschner. Ein Künstlerleben zwischen Jugendstil und Neoklassizismus, 1992.
  • Bergius, Burkhard: Architektur, Stadt und Politik: Julius Posener zum 75. Geburtstag, 1979, S. 267-281. Beitrag von Jürgen Streich: Materialien zum Märchenbrunnen in Friedrichshain zu Berlin von Ludwig Hoffmann
  • Bezirksamt Pankow von Berlin: Natur entdecken in Berlin-Pankow, Prenzlauer Berg, Weißensee, Berlin, 2017, S. 163f..
  • Bloch, Peter: Die Berliner Bildhauerschule im neunzehnten Jahrhundert : das klassische Berlin, Berlin, 1994.
  • Messer, Elke: Neptuns Reich an der Spree: Berliner Brunnen von Begas bis Bonk, Berlin, 1986, S. 35.
  • Schäche, Wolfgang: Ludwig Hoffmann: Lebenserinnerungen eines Architekten, Berlin, 1983.
  • Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Berlin, Bezirk Friedrichshain, Berlin, 1996, S. 46-85.
  • Kloss, Günter: Georg Wrba (1872-1939). Ein Bildhauer zwischen Historismus und Moderne, Petersberg, 1998.
  • Chod, Kathrin: Berliner Bezirkslexikon Friedrichshain-Kreuzberg, Berlin, 2003, S. 257.
  • Verein für die Geschichte Berlins: Der Bär von Berlin : Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, Berlin, 1954, S. 101-122. Aufsatz Susanne Kähler: Von der Verwandlung des Froschkönigs: Der Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain; Der Bär von Berlin, 54. Jg. 2007
  • Lesser, Katrin: Gartendenkmale in Berlin, Parkanlagen und Stadtplätze , 2013, S. 108, 116-117.

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