Die lebensgroße Ikarusfigur steht auf einem 4 Meter hohen Sockel. Dieser ist aus verblassten rötlichen Granitblöcken im Standbereich und sich darüber pyramidal verjüngenden Lagen von Sandsteinblöcken aufgebaut. Die bekrönende Plastik zeigt eine stilisierte, feingliedrige Formulierung. Ikarus erscheint als ideal gebildeter, nackter Jüngling. An seinem Rücken und den Händen an den waagerecht zur Seite ausgestreckten Armen ist ein Flügelpaar befestigt. Der Kopf ist mit dem Gesicht zum Himmel gewendet. Der Aufbau der Figur ist ganz symmetrisch in der Anordnung der Gliedmaßen und der Flügel bis zu den graphischen Linien der Binnenzeichnung des Körpers mit seinen am Brustkorb durchscheinenden Rippen. Auch der Umriss zeigt neben der Geschlossenheit der Kontur spiegelbildliche Ebenmäßigkeit in nahezu heraldischer Erscheinung. Im Gegensatz zu der trotz ihrer Größe leicht wirkenden Ikarusfigur – unterstrichen wird die Leichtigkeit durch die wohl 1956 verändert erneuerte, dreifache Abtreppung des Zwischengliedes zwischen Sockelspitze und Plinthe – erscheint der Sockel erdverhaftet und monumental. Vermutlich ist diese Gestalt der Sockelarchitektur als Verbildlichung des Erdhügels gedacht, von welchem Lilienthal seine Flugversuche unternahm. Die Front des Denkmals zeigt heute eine gegenüber dem Zustand von 1914 verknappte Inschrift. (Jörg Kuhn)
Standort
Kategorie
Epoche
Schaffende/
Breuer, Peter (Künstler:in)
1912-1914
Fa. Lauchhammer (Gießerei)
1948, ?; Ikarusfigur
Fa. W. Geisler (Gießerei)
2011-2012, Inschriftentafel
Neumann, Jörn (Bildhauer:in der Rekonstruktion)
Porträtkopf Lilienthal 2012
Datierungshinweise
1948 neue Inschriftentafel, 2011-2012 Restaurierung und Rekonstruktion des Porträtkopfes; Wiedereinweihung: 08.12.2012
Objektgeschichte
1909 forderte der „Verein deutscher Flugtechniker“ (später in „Reichsflugverein“ umbenannt) in seinem Gründungsprogramm die Verwirklichung eines Denkmals zur Erinnerung an Otto Lilienthal, dem ersten deutschen Aviatiker, der bei einem Probeflug am 9. August 1896 verunglückt und am folgenden Tag starb. Anfang 1910 gründete der Verein einen Ausschuss zur Errichtung dieses Denkmals, dessen Standort die Reichshauptstadt Berlin sein sollte. Fast zeitgleich entstand auch in Lichterfelde bei Berlin, dem letzten Wohnort Lilienthals, ein Komitee, das sich die Realisierung eines Lilienthaldenkmals zum Ziel gesetzt hatte. Eine nun vom Lichterfelder Denkmalkomitee und der Gemeinde Groß-Lichterfelde gemeinsam getragene Spendenaktion zur Aufbringung finanzieller Mittel zur Realisierung von Wettbewerb und Denkmal wurde noch im gleichen Jahr in der Zeitschrift „Flugsport“ verkündet. Ein Ehrenkomitee, angeführt von Prinz Albert von Schleswig-Holstein und weiteren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter auch Graf Zeppelin, unterzeichneten den Aufruf. Die eingegangenen Spenden beabsichtigte man in der Zeitschrift des Vereins deutscher Flugtechniker, unter Nennung der Namen der Spender, zu veröffentlichen. Die Aktion verlief jedoch schleppend und nach einigen Monaten waren, laut der genannten Zeitschrift, erst 4000 Mark eingegangen. Um die Spendefreudigkeit zu erhöhen, wurde an das nationalpatriotische Gefühl appelliert und es wurde darauf hingewiesen, dass man in der Schweiz und in Italien für ein Denkmal des in Domodossola so unglücklich gelandeten Chavez in kurzer Zeit 100.000 Francs zusammen gebracht hatte. In Groß-Lichterfelde veranstaltete der „Verschönerungsausschuß der Lichterfelder Kommunalvereine“ am 26. und 27. August 1911 ein Wohltätigkeitsfest, dessen Überschüsse den schon zusammengebrachten Denkmalfond aufstocken helfen sollten. Auf diesem „Lilienthal-Wohltätigkeitsfest“ wurde erstmalig eine 1911 von Peter Breuer geschaffene Otto Lilienthal-Büste gezeigt, die 1926 am Karpfenteich des Lilienthal-Parks in Lichterfelde Aufstellung fand (verschollen; vgl. Einholz, 1984, S. 244, Kat.Nr. 28). Die Präsentation der Büste diente gleichzeitig der Einführung Breuers als einem der vom Denkmalkomitee für eine Beteiligung am Denkmalwettbewerb vorgesehenen Bildhauer. Die 1912 erfolgte Denkmalausschreibung sah vier Preise für die eingereichten Entwürfe vor. Peter Breuer beteiligte sich mit zwei Modellen. Das Preisgericht entschied sich für die Verleihung des 1. Preises an Breuers „Ikarus“ und bestimmte diesen Entwurf zur Ausführung. Der 2. Preis ging an den zu dieser Zeit ebenfalls in Berlin tätigen Bildhauer Victor Seiffert, der eine Darstellung des „Dädalus“ vorgeschlagen hatte. Der 3. Preis ging auch an Peter Breuer und zwar für seinen Alternativvorschlag, der die 1911 geschaffene Lilienthal-Büste zu einem hermenförmigen Denkmal erweitert zeigte (1926 realisiert; nicht erhalten). Der 4. Preis schließlich ging an den unter anderem in Weimar wirkenden Bildhauer Gottlieb Elster, der, durchaus nicht unoriginell, eine Darstellung Lilienthals, ausgestattet mit Flügeln, in der Art einer Christusfigur am Kreuz entworfen hatte. Alle vier Entwürfe wurden nach der Preisvergabe im Rathaus von Lichterfelde zur öffentlichen Betrachtung ausgestellt (Einholz, 1984, S. 132). Das Denkmal konnte am 17. Juni 1914, wenige Wochen vor Ausbruch des I. Weltkrieges, enthüllt werden. Es folgte die Anlage eines Denkmalplatzes mit auf das Denkmal zuführender Treppenanlage, abgestimmter Bepflanzung und Aufstellung von weißen Holzbänken mit Arm- und Rückenlehnen. Vermutlich noch 1914 erfolgte die Anpflanzung einer Weißdornhecke, die den Denkmalplatz seitlich einfasste und als äußere Rahmung der von Wegen umgebenen hinteren Rasenfläche fungierte (Hecke auch heute noch vorhanden). In den 1920er Jahren wurde der Sockel des Denkmals überarbeitet, wobei die senkrechten schmalen Platten über den Blockfugen entfernt wurden. Die elaborierte Bepflanzung des Denkmalumfeldes mit blühenden Pflanzen wurde vereinfacht. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Denkmal durch Granatsplitter beschädigt. Vermutlich wurde dabei auch das Porträt Lilienthals stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Jugendstilbänke dürften in dieser Zeit oder in der Nachkriegszeit verloren gegangen sein. 1948 wurde auf der Rückseite des Denkmalsockels eine bronzene Inschriftentafel appliziert, gegossen von der Gießerei W. Geisler in Berlin. Laut Sibylle Einholz wurde das verwitterte Porträt Lilienthals bei der Beseitigung der Kriegsschäden 1956 entfernt. Die Sanierung 1956 betraf ebenso den Sockel und die Standfigur. Nach der Säuberung des pyramidenförmigen Sandsteinsockels brachte man die Inschriften in teilweise veränderter Form wieder an. Die Inschrift der Vorderfront wurde verkürzt. Das verloren gegangene oder zerstörte Reliefporträt Lilienthals wurde durch eine vor die rechteckige Öffnung aufgesetzte bronzene Reliefplatte ersetzt, auf der in sehr flachem Relief in moderner Interpretation einer historischen Porträtaufnahme das zur Seite gewendete Konterfei Lilienthals abgebildet ist. Autorin dieses Porträtreliefs war die Steglitzer Bildhauerin Magdalena Müller-Martin (1895-1982). Vermutlich im Zusammenhang mit einer erweiterten Wiederherstellung steht auch eine weitere Ergänzung der Vorderfront. Hier wurde eine weitere Inschriftentafel aus Kunststein unter die 1956 erneuerte Inschrift gesetzt. Würdigung: „Das Denkmal wurde von der zeitgenössischen Presse überschwänglich als ‚das schönste Denkmal, das jemals einem Techniker gesetzt wurde’ gefeiert.“ (Werner Schwipps, 1966, S. 10, zitiert nach Einholz, 1984, S. 30). Besonders die Ikarusfigur, die von Ferne wie ein heraldisches Zeichen wirkt, fand den Beifall der Öffentlichkeit und erfuhr eine reiche Rezeption (etwa als Grabplastik auf Fliegergräbern, vgl. Grabmal Edmund Rumpler auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf, Grabmal Loeb auf dem Friedhof Steglitz, Bergstraße) und als Raumschmuck (Reduktionen der Gießerei Lauchhammer in drei Größen wurden angeboten). Das Lilienthaldenkmal ist vermutlich das erste öffentlich aufgestellte Personaldenkmal für einen Techniker in Deutschland. Seit dem 23.10.2003 aufgenommen in die Denkmalliste. Der von Peter Breuer geschaffene Porträtkopf Lilienthals wurde im Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit durch Vandalismus stark beschädigt. Der durch Abarbeitung zusätzlich geschädigte Porträtkopf wurde 1956 durch ein bronzenes Reliefporträt Lilienthals, geschaffen von Magdalena Müller-Martin (1895-1982), verdeckt. Dieses Relief wurde 2011 abgenommen und dem Heimatmuseum Steglitz übergeben. Der beschädigte Porträtkopf wurde 2011-2012 von Jörn Neumann (Fa. Naturstein Krause, Hohenneuendorf) nach historischen Fotografien und den am Ort erhaltenen Resten nachgeschaffen. (Jörg Kuhn)
Verwendete Materialien
Porphyr (Sockel) (Materialarchiv)
Sandstein (Sockel) (Materialarchiv)
Bronze (Plastik) (Materialarchiv)
Stahl (Plakette) (Materialarchiv)
Inschriften
Inschrift (vertieft)
am Sockel
»DEM VORKAEMPFER DER / FLIEGEKUNST / OTTO LILIENTHAL / 1848-1896«
Tafel (gegossen)
am Sockel
»ZU EHREN DES ERSTEN / FLIEGERS OTTO LILIENTHAL / GESTALTETE PETER BREUER / IM AUFTRAG LICHTERFELDER / BÜRGER DIESES AM 17.6.1914 / EINGEWEIHTE DENKMAL«
Inschrift (vertieft)
am Sockel, Rückseite
»ES WIRD SEINEN ERSTEN / FLUG NEHMEN DER GROSSE / VOGEL VOM RUECKEN DES / HUEGELS AUS DEM UNIVER- / SUM MIT VERBLUEFFUNG. / ALLE SCHRIFTEN MIT SEI- / NEM RUHME FUELLEND / UND EWIGE GLORIE DEM / ORT WO ER GEBOREN WARD. - / LEONARDO DA VINCI / 1452-519«
Zustand
Vollständigkeit
vollständig, jedoch ohne die Treppenanlage von 1914 erhalten
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