Volkssängerbrunnen

Volkssängerbrunnen

Foto: Jürgen Tomisch und Barbara Anna Lutz, 2020, CC-BY-4.0

„Ein eckiges Becken […], durchbrochen von Sockeln und Vorsprüngen, ist mit farbenfrohen Mosaiken ausgelegt. In Nischen an allen vier Seiten einer Säule (Höhe ca. 3,5 m) sowie auf ihr und auf zwei Sockeln sind insgesamt 22 wasserspeiende [tönerne] Sänger-Köpfe […] angebracht. Die Mosaikplatten für das Becken und die Köpfe wurden von den Patienten gefertigt.“ (Ugowski, 1993, S. 68). Sitzstufen verschiedener Höhe rahmen das Wasserbecken, auch sie sind mit Mosaiken und einzelnen Tonarbeiten geschmückt (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Hertel, Arnold Ulrich1981-1986
in Zusammenarbeit mit Kindern der Klinik
Objektgeschichte
Der Ursprungsbau auf dem heutigen Gemeinschafts-Schulgelände – die heutige Carl-Bosch-Schule – entstand 1926-1927 als Kinderheim für den St. Dominikus-Stift auf dem hinteren, dem östlichen Teil des Grundstücks. Bis 1932 wurde dieses Gebäude als Kinderkrankenhaus und von 1938-1953 als städtisches Kinderheim „Waldblick“ genutzt, bevor es 1954 für die Kinderklinik „Wiesengrund“ umgebaut wurde. Die heutige Wiesengrund-Schule, auf dem westlichen Grundstücksteil nahe der Straße, entstand 1983-85 als Erweiterungsbau für die Klinik. Ende Dezember 2009 wurde die Klinik – inzwischen „Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Vivantes Humboldt-Klinikum / Frohnauer Straße (Wiesengrund)“ – geschlossen. 2016–2018 baute das Bezirksamt das frühere Klinikgebäude zu der heute bestehenden Integrierten Sekundarschule mit Carl-Bosch-Schule und Wiesengrund-Schule aus. Zu Beginn der 1980er Jahre gelang mit dem Trullidorf und dem Volkssängerbrunnen in der damaligen „Psychiatrischen Kinderklinik »Wiesengrund« […] ein aus Kunst-am-Bau-Mitteln finanziertes Experiment zum Thema »Kunst als Therapie«. Nach intensiver Vorbereitung der Wettbewerbsaufgabe mit Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern“ (Endlich, 1986, S. 15) wurde 1980/1981 ein bundesoffener Ideenwettbewerb Kunst am Bau für die Klinik Wiesengrund vom Berliner Senat ausgeschrieben. Die Teilnehmer mussten besondere Qualifikationen nachweisen: therapeutische bzw. pädagogische Ausbildung oder Erfahrung, Freude im Umgang mit Kindern, Fähigkeit zu kontinuierlicher Beziehung mit ihnen und dem therapeutischen Personal der Klinik. Ein künstlerischer und zugleich therapeutischer Prozess sollte stattfinden. Der Zugang zum Werk sollte möglichst nicht nur optisch, sondern auch haptisch, akustisch und motorisch sein. Im März 1981, gewann der Braunschweiger Bildhauer Arnold Ulrich Hertel den Wettbewerb gegenüber 25 Teilnehmern, mit seinem Konzept, das den Patienten die Reintegration in die Gesellschaft erleichtern wollte und „in welchem die Beteiligung der jungen Patienten und die damit verbundenen kommunikativen und therapeutischen Prozesse ebenso wichtig [waren …] wie das fertige Ergebnis.“ (Ebenda.). Der Künstler hatte für den Wettbewerb 12 Projekte eingereicht. Zur Realisierung ausgewählt wurden zunächst das Trullidorf und die Brunnenanlage „Volkssängerbrunnen“. Die Fundamente für den Brunnen wurden von einer Baufirma erstellt. Die weit über 100 Mosaike für den Brunnen waren von den jungen Patienten im Winter erstellt worden, sie wurden im Sommer verlegt. 2020 ist der Brunnen nur noch teilweise erhalten. Die Säule und auch die meisten der wasserspeienden Sängerköpfe fehlen. Das Becken mit seinen Mosaiken ist in ungepflegtem, reparaturbedürftigen und verdreckten Zustand erhalten. „Deutlicher als in den geschlossenen Grundformen der Trullis sind die Affekte und Spannungen der Jugendlichen im zweiten Objekt – einer Brunnenanlage – abzulesen. 22 Köpfe als Wasserspeier spiegeln die innere seelische Verfassung vieler Patienten wider. Erregung und Angst sprechen aus den Gesichtern.“ (Ullmann, 1985, S. 34-38). Wobei „bedeutsam ist, daß durch die bildnerischen Aktivitäten des Patienten dessen innere Stabilität allmählich wächst und Spannungen abgebaut werden, daß die Gruppe ihm ein Gefühl von sozialer Nähe gibt.“ (Ebenda.). Der Vertrag zwischen Hertel und der Klinik wurde verlängert, da das Projekt so erfolgreich verlief. So entstanden in mehrjähriger prozesshafter Zusammenarbeit ab Ende 1981 unter Hertels Leitung neben dem Trullidorf und dem Volkssängerbrunnen auch weitere seiner Projekte, wie z.B. später auch der Tiergartenbrunnen mit (wieder) 7 Tieren (Objekt-Nr. 053). Nach Ablauf seines ersten Vertrages legte Arnold Ulrich Hertel der Klinikleitung regelmäßig neue Kunst-am-Bau-Konzepte im Modell und mit Kostenangebot vor, die er zuvor in Absprache mit dem Chefarzt als Großprojekte entwickelt hatte. Später wurden diese dann in enger Zusammenarbeit mit Therapeuten und Assistenten realisiert. Das Folgeprojekt – nach Fertigstellung von Trullidorf und Volkssängerbrunnen – umfasste die Erweiterung des Brunnens durch überlebensgroße Figuren und eine Figurengruppe für die Sportanlage. Erst nach zehnmaliger Vertragsverlängerung kam es zum Abschluss der Projekte (das genaue Jahr wurde nicht ermittelt). (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz)
Maße
BeckenBreite7 m
Länge6 m
KöpfeHöhe0.5 m
Verwendete Materialien
gesamtKunststein
Beton
Kiesel
Mosaik, verschieden farbig
Keramik
Fliese, Fliesen-Mosaiksteine
Mörtel
Technik
Beton/ Kunststeingegossen
behauen
Mosaik/ Keramikgebrannt
verlegt, Kiesel, Mosaik, Keramik
Zustand
gesamtaußer Betrieb
ungepflegt
verwahrlost
Vollständigkeit
unvolltständignur noch in Teilen erhalten

  Nachweise

  • Endlich, Stefanie: Nach Wasser drängt, am Wasser hängt … Neue Brunnen in Berlin, In: Neptuns Reich an der Spree: Berliner Brunnen von Begas bis Bonk, Berlin, 1986, S. 13-20, bes.15.
  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 81-82.
  • Machinek, Uwe: Trulli in Berlin. Kunst am Bauprojekt mit Kindern und Jugendlichen in der Klinik Wiesengrund. Humboldt-Krankenhaus, Berlin, 1989.
  • Hertel, Arnold Ulrich: Einweihungsfest vom Trulli Dorf Mai 1986. Humboldt-Krankenhaus. Krankenhausbetrieb von Berlin-Reinickendorf. Kunst am Bau mit Kindern und Jugendlichen. Trulli in Berlin., Berlin, 1986.
  • Hertel, Arnold Ulrich: Kunst am Bau und Therapie in der Klinik Wiesengrund des Humboldt-Krankenhauses in Berlin, 1994, S. 59-64.
  • Schlickeiser, Klaus: Entdecken Sie Reinickendorf. Spaziergänge in Hermsdorf, Berlin, 2005, S. 96.
  • Schulze, Friedrich-Wilhem: Innovationen im Krankenhausplanungsprozess. Kunst im Krankenhaus, In: Krankenhäuser in Berlin. Bauten und Projekte der 80er Jahre., Berlin, 1989, S. 144-146.
  • Seppelt, Dieter: Summa Summarum,, 2017.
  • Stein, Rosemarie: Bilder, die heilende Kraft entfalten, in: Der Tagesspiegel, 22.11.1994, Berlin, 1994.
  • Ullmann, Gerhard: Ein Trullidorf in Berlin . Kunst als Therapie in der Kinderklinik „Wiesengrund“, Berlin, 1985, S. 34-38.
  • Ugowski, Eberhard: Berliner Brunnen. Verzeichnis und Beschreibung gestalteter Brunnen im öffentlichen Raum, Berlin, 1993, S. 68.
  • Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. A Krankenhäuser, Berlin, 1997, S. 219.
  • Denkschrift zum 100jährigen Bestehen der Klinik Wiesengrund, Berlin, 1982, S. 137-139.

Ihre Information ist gefragt