Mahnmal Deportation

Mahnmal Deportation

Gedenkstätte Bahnhof Grunewald
Foto: Susanne Kähler, 2009, CC-BY-4.0

Skulpturale Wand mit sehr bewegter Oberflächenstruktur und eingetiefter abstrakter Darstellung von Menschen verschiedener Körpergröße in Negativformen, über breitem Standsockel, nahebei Inschriftenstele. Die „Gedenkstätte Bahnhof Grunewald“ besteht aus dem skulpturalen Monument mit seiner Basis und einer Stele mit Inschrift. Das über 18 Meter lange, ca. 2,80 Meter hohe und ca. 1,50 Meter starke Kunstwerk steht auf einem breiten, in etwa rechteckigen Betonsockel, der die ansteigende Straße berücksichtigend, den Höhenunterschied ausgleicht. Auf dem Sockel, in den mit Erde ausgeschütteten und mit Bäumen bewachsenen Bahndamm quasi hineinkomponiert, steht das eigentliche Kunstwerk, bestehend aus zwei zusammengefügten Betonwänden mit im ersten Drittel unregelmäßig schräg von links oben nach rechts unten verlaufender Oberflächentextur. Diese Schraffierung wird dann durch einen gegenläufiger abrupten Riss in der Wand unterbrochen. Von nun an verläuft die Schraffur von links unten nach rechts oben. „Auf der rechten Seite der Betonwand, und damit im Anschluss an die brüske Einkerbung, sind sieben in Größe und Gestalt wechselnde Negativformen menschlicher Körper in leichter formaler Abstrahierung zu erkennen. Im Beton erstarrt, bilden sie gleichsam eine ‚negative’ Figurengruppe als Teil des unübersehbaren Deportationszuges. Die Formen stehen für die Auslöschung der Körper, sie verweisen auf die Abwesenheit der Menschen, die von hier aus in den Tod geschickt wurden. Die Gestalt der entmaterialisierten Figuren wird dabei durch die wechselnde Licht- und Schattenwirkung mitgeformt“ (Christine Mani, in: Dickel/Fleckner: Kunst in der Stadt, 2003, S. 169). Eine links der Betonwand, in einer in den Bahndamm geschnittenen, und mit Holzverkleideten Stützwänden ausgekleideten Nische, stehende Stele aus Sichtbeton trägt eine Inschriftentafel (Bronze) (Jörg Kuhn, Susanne Kähler).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Broniatowski, KarolKünstler_In1987-1991
Datierungshinweise
Eingeweiht am 18.10.1991; 1998 um die Gedenkstätte Gleis 17 erweitert
Objektgeschichte
Mahnmal des Berliner Senats, Enthüllt am 18.10.1991. Der S-Bahnhof Grunewald (1899 nach Entwurf von Karl Cornelius errichtet) entstand im Bereich eines seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Güterbahnhofs an der Strecke Berlin-Wetzlar. Während des Zweiten Weltkrieges, konkret zwischen dem 18. Oktober 1941 bis Februar 1945, wurden vom Güterbahnhof Grunewald Berliner Juden und so genannte „Nichtarier“ an die Todesstätten im Osten deportiert. Eine erste Gedenktafel von 1953 wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt entfernt, eine 1973 angebrachte Gedenktafel mehrfach gestohlen. 1987 lobte der Senator für Bau- und Wohnungswesen (heute: Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz) einen Wettbewerb zur Errichtung einer Gedenkstätte am Güterbahnhof Grunewald aus. 149 Beiträge wurden eingereicht. Der in Berlin lebende polnische Künstler Káról Broniatowski erhielt 1988 einstimmig den 1. Preis. Kosten der Realisierung: ca. 770.000 DM (aus dem Fonds „Kunst im Stadtraum“). Am Straßenseitigen Fuße des Bahndamms wurde ein Betonfundament errichtet, das nicht nur den Höhenunterschied der hier bereits ansteigenden Straße ausgleicht und der eigentlichen Skulptur als Basis dient, sondern auch in der Anmutung eines Bahnsteigs Teil der Inszenierung geworden ist. Das eigentliche Kunstwerk, eine in der Oberfläche stark strukturierte Betonwand mit den abstrakten Umrissen von Menschen, wurde im Atelier des Künstlers fertig gestellt und in zwei Teilen von je 26 Tonnen zum Aufstellungsort gebracht und hier vor dem Bahndamm aufgestellt. In den Bahndamm vertieft wurde eine Nische links vor dem Denkmal (im Jahr 2000 von der Deutschen Bahn AG ohne Abstimmung mit dem Künstler und der Senatsbauverwaltung eine Betonstützmauer errichtet, die den Eindruck des Denkmals stark beeinträchtigt hat. Um die Stützmauer zu kaschieren wurde sie mit einer berankungsfähigen Holzverkleidung verblendet). Hier wurde eine Gedenkstele aufgestellt, deren Bronzetafel einen prägnanten Text enthält, der auch dem Ortsunkundigen das Denkmal und den Hintergrund seiner Entstehung erläutert. Der eigentliche Ort der Deportation, das Gleis 17, war zum Zeitpunkt des Wettbewerbes noch nicht in das Projekt einziehbar, da das Grundstück unter Verwaltung der Reichsbahn / DDR stand. Dies ist 1998 mit der Umsetzung des Mahn- und Gedenkmals „Gleis 17“ geschehen. Obgleich beide Gedenkmale inhaltlich zusammen gehören, stellen sie doch zwei grundsätzlich unterschiedliche Werke dar, da das eine stärker Skulptur ist, das andere eine Objektkollage zwischen historischem Ort des zu Erinnernden und seiner überfassenden Stilisierung. Im Übrigen hat die Deutsche Bahn AG ohne Absprache mit dem Künstler ein zum authentischen Ort und damit zur Gedenkstätte gehörendes Schild mit der Aufschrift „Deutsche Reichsbahn/Güterbahnhof Berlin-Grunewald“ entfernen lassen. Das Schild, das bereits 1941 vorhanden war, gilt nun als verschollen (Jörg Kuhn, Susanne Kähler).
Maße
WandLänge18 m
Höhe28 m
Tiefe15
Verwendete Materialien
WandBeton
SteleBronze
StelenfußSichtbeton
Technik
Wandgegossen, in Verschalung
Stelegegossen
Stelenfußgegossen
Inschriften
Tafel (gegossen)
separate Stele
Zum Gedenken an die / mehr als 50 000 Juden Berlins, / die zwischen Oktober 1941 und / Februar 1945 vorwiegend / vom Güterbahnhof Grunewald aus / durch den nationalsozialistischen Staat in seine / Vernichtungslager deportiert / und ermordet wurden. / Zur Mahnung an uns, / jeder Mißachtung des Lebens / und der Würde des Menschen, / mutig und ohne Zögern / entgegenzutreten.
ZustandZeitpunkt
gut2009
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 200-201.
  • Dickel, Hans: Kunst in der Stadt : Skulpturen in Berlin 1980 - 2000, S. 168-170. Beitrag von Christine Mani
  • Geisert, Helmut: Gedenken und Denkmal : Entwürfe zur Erinnerung an die Deportation und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Berlins ; [Ausstellung vom 4. November 1988 bis zum 8. Januar 1989], Berlin, 1988, S. 18-32, 69.
  • Endlich, Stefanie: Wege zur Erinnerung, Gedenkstätten und -orte für die Opfer des Nationalsozialismus, Berlin, 2007, S. 53-55.

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