Das Motiv des über den Kopf gezogenen Gewandstücks lässt in ihr eine Allegorie der Nacht vermuten, was in Anbetracht der Funktion der Figur nahe liegen würde. Auf etwa quadratischer Plinthe mit einer naturimitierenden Oberfläche lehnt ein junger Mann mit einem schräg nach links hinter das vorgestellte rechte Bein gesetztem linken Bein an einem Baumstumpf. Letzterer dient der Figur als konstruktive Stütze und signalisiert dem Betrachter den im Freien gedachten Standort des Jünglings. Die Scham (Pubes) wird durch ein mehrteiliges Blatt, vermutlich ein Feigenblatt verdeckt. Mit der linken Hand am erhobenen, zur Seite hin abgewinkelten Arm zieht der junge Mann ein Gewandstück über seinen zur Seite gewendeten, leicht nach unten geneigt gehaltenen Kopf. Die kappenartige Haartracht aus festen, leicht gelockten Strähnchen erinnert an Jünglingsdarstellungen aus der späteren römischen Kaiserzeit, etwa an Antinoos-Figuren aus hadrianischer Zeit. Das von vorne nur wenig in Erscheinung tretende Gewandstück ist schräg über den Rücken geführt und staucht sich vorne zwischen Figurenkörper und dem Baumstumpf. Mit der rechten Hand am angewinkelten Arm umfasst der Jüngling den kannelierten konischen Schaft einer Fackel mit quadratischem Abschluss. Der Fuß des Fackelstabes ruht auf dem Baumstumpf links neben der Figur auf. Auf den mehrzonigen Fackelstababschluss ist modern ein kugelförmiger Leuchtkörper mit Metallhalterung montiert. (Kähler/Kuhn)
Standort
Kategorie
Epoche
Bezirk/Ortsteil
unbekannt
Schaffende/
Eckstein, Johannes (Bildhauer:in)
1785-1787, Zuschreibung
Datierungshinweise
Datierung des Originals; Kopie 1980er Jahre, Original im Depot der Denkmalpflege Berlin
Objektgeschichte
Das Gelände, auf dem sich Schloss und Garten Bellevue befinden, wurde seit Beginn des 18. Jahrhunderts (etwa ab 1717) als Maulbeerplantage genutzt. 1743 ging das Grundstück an den Offizier, Maler und Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der hier ein Wohnhaus errichten ließ (erst 1937 abgerissen, vgl. F. Wendland, 1993, S. 246, Abb. 186). Nach Knobelsdorffs Tod 1753 gelangte der Besitz 1764 nach verschiedenen Besitzerwechseln an Kommerzienrat Schneider, der hier zusätzlich ein zweistöckiges Manufakturgebäude bauen ließ. 1784 erwarb den Besitz Prinz August Ferdinand von Preußen (1730-1813, beigesetzt im Berliner Dom; der kostbare Sarg des Prinzen wurde unlängst restauriert und am 12. Mai 2003 der Öffentlichkeit präsentiert), jüngster Bruder König Friedrichs II. Prinz August Ferdinand, der von 1762-1785 Eigentümer von Schloss Friedrichsfelde gewesen war, ließ sich von Michael Philipp Daniel Boumann unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Baulichkeiten der Manufaktur auf dem Grundstück eine dreiflügelige Schlossanlage errichten, das heutige Schloss Bellevue. Der Architekt betonte dabei den neunachsigen Hauptbau durch eine herausgehobene Geschosshöhe, Dachform, bildplastischen Schmuck, formal abgesetzten Seitenflügel und durch einen dreiachsigen Mittelrisalit mit vier Pilastern korinthischer Ordnung. Der flache Mittelrisalit erhielt einen dreieckigen Giebel mit drei monumentalen weiblichen Allegorien aus Sandstein und 1790 auch eine Uhr sowie ein Giebelrelief. Die dreiachsigen, sehr flachen Seitenrisalite bargen im Parterre die beiden Haupteingänge zum Schloss. Zu den Seiten der beiden Eingänge in den Seitenrisaliten wurden insgesamt vier Leuchterfiguren aufgestellt. Je zwei Figuren flankierten jeweils einen Eingang. Dort befinden sich heute vier Leuchtergruppen mit je zwei Figuren. Ob diese vier Leuchterfigurengruppen mit den 1785 hier aufgestellten Leuchterfiguren übereinstimmen, ist nicht vollständig geklärt. Die heute hier stehenden Leuchterfigurengruppen sind Kopien, deren eher an das 19. und 20. Jahrhundert erinnernde Erscheinung eine Entstehungszeit der heute nicht mehr nachweisbaren Originale aus der Zeit um 1785 nicht belegen, aber auch nicht widerlegen kann. Der Besucher wurde nach Fertigstellung des Schlosses um 1785/1790 entlang der sechszehnachsigen Seitenflügel über gerade Wege direkt zu diesen beiden Eingängen geleitet. Seit dem Umbau des Schlosses 1938/1939 sind die beiden ehemaligen Eingänge in den Seitenrisaliten vermauert. Die Leuchterfigurengruppen flankieren seit dieser Zeit, dort wo bis 1938 die Türen waren, Blendnischen mit eingeschnittenen Fenstern. Der Umbau von 1938/1939 war seit 1785 der größte Eingriff in die Bausubstanz, denn bis zu diesem Zeitpunkt war das Schloss weitgehend im Zustand des 18. Jahrhunderts bewahrt worden. Dies lag auch an den Besitzerverhältnissen im 19. und frühen 20. Jahrhundert (bis 1928). 1843 erwarb König Friedrich Wilhelm IV. Schloss und Park von Prinz August von Preußen (1779-1843), dem Sohn des 1813 verstorbenen Prinzen August Ferdinand, und ließ den Park ab 1844 von Joseph Peter Lenné umgestalten. 1893-1896 wurden das Schloss und vermutlich auch die figürliche Ausstattung des Parkes umfassend restauriert. Nach 1918 diente das Schloss als Sitz verschiedener Verwaltungen und wurde 1928 vom Preußischen Staat erworben. 1935 zog das Museum für Deutsche Volkskunde ein. 1938/1939 wurde das Schloss unter Eingriff in die bisher weitgehend unverändert erhaltene Bausubstanz und Ausstattung nach Plänen von Paul Baumgarten d. Ä. als Gästehaus der Reichsregierung umgebaut. Dabei wurden die beiden seitlichen Eingänge in den Seitenrisaliten geschlossen und der Haupteingang in den Mittelrisalit verlegt. 1943 wurden Schloss und Park stark verwüstet. 1954-1959 erfolgte der Aufbau des Schlosses als Sitz des Bundespräsidenten in Berlin. Die 1938 erfolgte Verlegung des Haupteinganges zum Mittelrisalit wurde dabei beibehalten. 1955 wurde der Schlosspark nach Plänen von Reinhard Besserer neu gestaltet. Auftraggeber der Maßnahmen an Schloss und Park war die Bundesregierung. Die Baugeschichte des Schlosses und die Gestaltung des Parkes sind untrennbar miteinander verflochten. Im Jahr des Erwerbes des Besitzes Bellevue durch Prinz August Ferdinand, 1784, begann auch die Anlage des Parkes durch den Hofgärtner Weil nach dem Vorbild des Wörlitzer Gartens. Aus praktischen, finanziellen und auch aus sentimentalen Gründen wurden im Park von Schloss Bellevue, neben wenigen Neuanschaffungen, auch ältere bildplastische Werke aufgestellt, die sich vorher in Potsdam oder im Park von Schloß Friedrichsfelde befunden hatten. So schenkte Friedrich II. eine um 1750 entstandene weibliche Figur „Galatéa“ an seinen Bruder. Die zur Aufstellung gekommenen Bildwerke dürften allesamt in den Königlichen Bildhauerwerkstätten in Berlin und Potsdam geschaffen worden sein. Laut dem von Gustav und Rose Wörner 1993 unter Verwendung von Folkwin Wendlands Publikation „Der Große Tiergarten in Berlin“ (1:1985, 2:1993) erstellten „Parkpflegewerk Schloßpark Bellevue“ (Clemens Alexander Wimmer: Geschichte des Gartens zu Bellevue, erstellt im Auftrag der Bundesbaudirektion Berlin, Berlin 1992 (Bd. 1 des Parkpflegewerks Schlosspark Bellevue, erstellt von Gustav und Rose Wörner, 1993), S. 19-20, S. 41; Teil 1, S. 139, Nr. 2) wurden die vier Leuchterfiguren, die sich heute zu Seiten der Gittertore an den Zufahrtswegen zum Ehrenhof des Schlosses Bellevue befinden 1785-1787 eigens für diese Stelle am sogenannten Aha, also dem vertieften Wassergraben, der den Ehrenhofgarten des Schlosses zur Straße hin abgrenzt, geschaffen. Clemens Alexander Wimmer erwähnt in seiner 1992 fertiggestellten Geschichte des Schlosses die Figuren und berichtet über einzelne Figuren betreffende Zerstörungen in den Jahren 1792 und 1835 sowie Reparaturen und Veränderungen der Fassung (1804). Wimmer nennt im Übrigen stets unhinterfragt die Bildhauer Eckstein und Heymüller als Autoren der Leuchterfiguren. Laut Gustav und Rose Wörner (Clemens Alexander Wimmer: Geschichte des Gartens zu Bellevue, erstellt im Auftrag der Bundesbaudirektion Berlin, Berlin 1992 (Bd. 1 des Parkpflegewerks Schlosspark Bellevue, erstellt von Gustav und Rose Wörner, 1993), S. 19-20, S. 41, Bd. II, S. 139) waren die vier Figuren ursprünglich perlgrau, später, nämlich nachweislich im Jahr 1811, mit grauer Steinfarbe gefasst. Die Postamente des 18. Jahrhunderts waren aus sächsischem Sandstein gearbeitet. Aus verschiedenen Gründen muss die Annahme einer Datierung der Originale auf die Zeit von 1785-1787, soweit sie alle vier Leuchterfiguren betrifft, bezweifelt werden. Zumindest die beiden Leuchterfiguren, die ältere Männer darstellen, entsprechen stilistisch nicht mehr dem Geschmack des Frühklassizismus um 1785, sondern müssen früher entstanden sein. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die „Originale“ der zu Beginn der 1980er Jahre wiederum kopierten Leuchterfiguren nicht mehr allesamt die Originale des 18. Jahrhunderts sind, sondern möglicherweise bereits (gute) Kopien oder Überarbeitungen des 19. oder 20. Jahrhunderts, kann die nach stilistischen Kriterien vorzunehmende Vordatierung nicht widerlegt werden. Was die Annahme einer Datierung zumindest der beiden Leuchterfiguren mit der Darstellung älterer Männer vor das Jahr 1785 anbelangt, so wird diese Annahme auch dadurch unterstützt, dass als Bildhauer der Leuchterfiguren zwei Künstler genannt werden, die in Potsdam tätig waren, nämlich Johann Matthias Gottlieb Heymüller (1710 oder 1715 geboren, gestorben 1763) und Johann(es) Eckstein (Poppenreuth 1735-1817 Havanna auf Kuba). Will man annehmen, und es spricht einiges dafür, dass Heymüller der Bildhauer der beiden Leuchterfiguren mit der Darstellung älterer Männer war, so müssen diese Figuren vor 1763 entstanden sein. Sind sie vor 1763 entstanden, müssen sie von einem anderen Standort, vorzugsweise im Bereich von Potsdam-Sanssouci, um 1785 nach Bellevue verbracht worden sein. Das eine der beiden Leuchterfiguren, jene mit der Darstellung eines dicklichen älteren Mannes, vermutlich nicht mehr im Original des 18. Jahrhunderts, sondern in einer Kopie des späten 19. Jahrhunderts (1893-1896 wurden Schloss und Park umfassend saniert), überliefert ist, spielt bei der Datierung keine entscheidende Rolle, da sich der vermutete Kopist sehr eng an das Vorbild des 18. Jahrhunderts gehalten hat. Schwieriger ist die Datierung der beiden Leuchterfiguren, die junge Männer darstellen. Im Vergleich zu den anderen beiden Leuchterfiguren wirken sie weniger barock und könnten durchaus als Bildwerke des Frühklassizismus, und damit als mögliche Werke des Bildhauers Eckstein angesehen werden. Beide Leuchterfiguren mit der Darstellung von jungen Männern sind nicht mehr im Original des 18. Jahrhunderts erhalten, sondern die Figuren, die zu Beginn der 1980er Jahre als Vorbilder für die heute vor dem Schloss aufgestellten Kopien dienten, waren selbst schon Kopien des 19. und 20. Jahrhunderts. So es denkbar, dass bereits im Zusammenhang mit dem Umbau des Schlosses 1938/1939 Kopien von einigen der Figuren am Schloss und im Park angefertigt worden sind. Bekannt ist, dass 1954 im Zusammenhang mit der Wiederherstellung des stark kriegsbeschädigten Schlosses auch der Figurenschmuck durch den um 1990 verstorbenen Bildhauer Kliem überarbeitet und teilweise kopiert worden ist. Eine der sich heute im zentralen Depot der Denkmalpflege aufbewahrten Leuchterfiguren mit der Darstellung eines jungen Mannes „mit zwei Leuchterhaltern“ ist mit ziemlicher Sicherheit eine Kopie der 1950er Jahre und ist in Steinguss ausgeführt. Will man also annehmen, dass die Originale der heute nicht mehr im Original des 18. Jahrhunderts, sondern in späteren Kopien überlieferten Leuchterfiguren mit der Darstellung von jungen Männern Werke des Bildhauers Eckstein waren, so ist es denkbar, dass diese beiden Figuren eigens für Schloss Bellevue um 1785 gefertigt worden sind. Sie wären dann als Pendants zu den beiden älteren Bildwerken von der Hand Heymüllers entstanden. Eine bereits um 1785 erfolgte Übernahme der Leuchterfiguren aus Schloss Friedrichsfelde ist im Übrigen nicht anzunehmen, da die zwei dort befindlichen Leuchterfiguren, durch eine um 1787 geschaffene Ansicht des Parks von Schloss Friedrichsfelde und durch um 1927 aufgenommene Photografien belegt, sich eben bis 1927 noch dort befanden. Die zu Beginn der 1980er Jahre in Cottaer Sandstein kopierten vier Leuchterfiguren vom Eingangsbereich zum Ehrenhof wurden, nach Aufstellung der mit neuen, nach Vorbildern des 18. Jahrhunderts nachgearbeiteten Leuchtkörpern aus Metall und Glas ausgestatteten und damit komplettierten Kopien, im Schlosspark Bellevue ungeschützt abgestellt. 1998/1999 wurden sie im Auftrag der Berliner Gartendenkmalpflege durch den Bildhauer Hans Starcke restauriert und befinden sich heute im zentralen Baudepot der Denkmalpflege Berlin in Friedrichsfelde. Die vier Leuchterfiguren an den Gittertoren zum Ehrenhof-Garten des Schlosses Bellevue, gehören zu den wenigen Gartenskulpturen des 18. Jahrhunderts, die sich in Berlin erhalten haben. Dabei spielt es keine Rolle, dass, bis auf eine einzige Figur, unter den heute deponierten „Originalen“ vermutlich kein wirklich noch als dem 18. Jahrhundert stammendes Bildwerk erhalten ist. Die Kopisten des 19. und 20. Jahrhunderts haben geholfen, trotz aller zeitgebundenen Abweichungen, die Bildwerke des 18. Jahrhunderts in ihrer typischen Gestaltung und künstlerischen Erscheinung zu überliefern. Die seit 1999 deponierten „Originale“ sind kostbare Belegstücke, deren Bewahrung eine wichtige Aufgabe der Denkmalpflege darstellt. Die zu Beginn der 1980er Jahre geschaffenen Kopien vor dem Schloss Bellevue tragen entschieden dazu bei, die Erscheinung des Schlosses als Werk des Berliner Spätbarock und des Frühklassizismus zu waren (Jörg Kuhn).
Verwendete Materialien
Sandstein (Figur) (Materialarchiv) , Cottaer
Glas (Leuchtkörper) (Materialarchiv)
Metall (Materialarchiv)
Technik
behauen (Figur)
Zustand
Vollständigkeit
vollständig, Restaurierung des deponierten Originals 1999
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