In Wind und Sonne

In Wind und Sonne

Foto: Susanne Kähler, 2009, CC-BY-4.0

Auf annähernd runder Plinthe steht eine weibliche Figur, den Kopf leicht übrer ihre rechte Schulter gedreht haltend. Der linke Arm ist in die Hüfte gestützt, die Hand des rechten Arms auf ihre linke Schulter gelegt. Der Körper ist durch die Bewegung in sich gedreht, so dass trotz vordergründig ruhigem Stand die Figur bewegt erscheint.

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Klimsch, FritzKünstler_In1936
Fa. H. NoackGießerei
Objektgeschichte
Die 1936 geschaffene weibliche Aktfigur mit dem Titel „In Wind und Sonne“ gelangte nach Auskunft von Herrn Kraft (ehem. techn. Leiter des BG) 1975 in den Botanischen Garten. Herr Kraft sah die Plastik in einem Zimmer bei der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung in der Bredtschneiderstraße. Auf Nachfrage wurde ihm die Figur zur Aufstellung im Botanischen Garten überlassen. Die Herkunft der Plastik, beziehungsweise ihre Geschichte bis zur „Entdeckung“ durch Herrn Kraft in der Senatsverwaltung Bredtschneiderstraße, ist ebenfalls unbekannt. Vermutlich stammt die Bronzefigur aus Staatsbesitz. 1933 wurde im alten, von Schinkel für den Prinzen Carl von Preußen umgebauten barocken Wartenbergpalais am Wilhelmplatz, für Reichsminister Joseph Goebbels das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda installiert. 1937-38 wurde der klassizistisch überformte Bau durch zwei moderne Flügelbauten und der Verlängerung des seit dem 19. Jahrhundert bestehenden östlichen Seitenflügel erweitert. Dadurch entstand ein vierseitig umschlossener Hof, der als Garten des Ministeriums diente. Hier wurde die 1936 von Fritz Klimsch geschaffene Bronzefigur „In Wind und Sonne“ aufgestellt, wie zwei Abbildungen in Uli Julius Klimschs Monografie über seinen Vater von 1938 (vgl. Uli Julius Klimsch: Fritz Klimsch. Die Welt des Bildhauers, Berlin 1938, S. 102 und 103) belegen. Das Hauptgebäude des Propagandaministeriums wurde 1945 durch Bomben stark beschädigt, der Garten verwüstet. 1947 wurde das Ministerium bis auf die recht gut erhaltenen Flügel von 1937-38 gesprengt (vgl. Laurenz Demps: Berlin – Wilhelmstraße. Eine Topographie preußisch-deutscher Macht, Berlin 1994, S. 219-222). Heute ist das Gelände modern bebaut. Fritz Klimsch vermutete 1948 in einem Brief an seine Kusine Pauline, dass die Version des Ministeriums von „Russen in Berlin gestohlen“ worden sei (vgl. Hermann Braun: Fritz Klimsch. Ausstellungskatalog der Galerie Koch, Hannover 1980, S. 72-73). Vielmehr scheint es jedoch so zu sein, dass die Plastik aus dem Ministeriumsgarten schon 1943 auf Gut Metzelthin bei „Wusterhausen“ (vermutlich Königswusterhausen) ausgelagert worden ist und erhalten blieb. Kurt Reutti hat in seinem Bericht über den Verbleib der Kunstwerke aus Staatsbesitz (und der Staatlichen Museen) dezidiert festgehalten, dass zahlreiche bildhauerische Werke von Fritz Klimsch nach Metzelthin ausgelagert worden sind. Es scheint aber auch so zu sein, dass Fritz Klimsch ein (anderes?) Exemplar der Figur „In Wind und Sonne“ „aus seinem Atelier“ der Auslagerung nach Gut Metzelthin zufügte (Fritz Klimsch: Liste mit Kunstwerken im Atelier, die zur Auslagerung nach Gut Metzelthin vorgesehen sind, 1943; Freundl. Mitteilung von Herrn Rolf H. Johannsen, Alte Nationalgalerie Berlin an den Verfasser, 11/2007). Nach Kriegsende wurden die dortigen Depots „von den Russen geplündert“, ein Teil der verbliebenen Kunstwerke, darunter mindestens eine Bronze von Klimsch, von den ortsansässigen kommunistischen Funktionären entwendet und teilweise „in den Westen“ verkauft, die Marmorbildwerke Klimschs von der ortsansässigen „Dorfjugend“ zertrümmert (vgl. Typografische Aufzeichnungen von Kurt Reutti über den Verbleib der Kunstwerke des Staates und der Staatlichen Museen zu Berlin nach 1945, Unterlagen im Geheimen Staatsarchiv PK, Berlin-Dahlem (GStA PK, XVI, HA, NL Reutti, Bd. 1, S. 16-17; Freundliche Mitteilung von Herrn Rolf H. Johannesen, Alte Nationalgalerie Berlin). „Herrenloses Kulturgut“ wurde nach Kriegsende an verschiedenen Sammelpunkten zusammengetragen und später von dort aus verteilt. Bekannt ist, dass Kunstgut aus den Reichsministerien im „Ermelerhaus“ in der Breite Straße gesammelt wurde (Freundliche Mitteilung von Herrn Rolf H. Johannesen an den Verfasser). Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass Klimschs Figur „In Sonne und Wind“ aus dem Garten des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda von dort in das Gebäude Bredtschneiderstraße gelangt ist. Klimsch, der im Laufe seines langen Lebens unzählige Darstellungen weiblicher Schönheit herstellte, hat die erste Ausformung seiner Figur „In Wind und Sonne“, die er sehr schätzte – er schrieb 1948 „eine meiner schönsten Figuren“ – an einen Schweizer Sammler (Dr. A. Boeckli, Basel) verkauft, eine zweite gelangte nach Schleswig Holstein. 1938 war eine dritte Ausformung der Plastik in einer Klimsch und Willy ter Hell-Ausstellung in der Berliner Tiergartenstraße 21a ausgestellt (wohl die, die Klimsch 1943 aus seinem Atelier heraus zur Auslagerung nach Gut Metzelthin gab; zur Ausstellung vgl.: Sonderausstellung Fritz Klimsch – Plastik – Willy ter Hell – Gemälde, veranstaltet von der Hauptstelle Bildende Kunst im Amt des Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP - . 26.März bis 4.Mai 1938, Berlin, Tiergartenstraße 21a, Nr. 21; Walter Manggold: Fritz Klimsch, in: Zeitschrift „Die Kunst für Alle“, 55. Jg. 1939/40, S. 108ff.). Die Figur des Propagandaministeriums scheint damit die vierte Ausformung gewesen zu sein. Hermann Braun hat 1980 und fast gleich lautend 1991 (vgl. Hermann Braun: Fritz Klimsch, Köln, Kunsthaus Carola van Ham, 1991) die Plastik gepriesen: „In kaum einem Werk der dreißiger Jahre sind sich abstoßende Pole ‚Ruhe’ und ‚Bewegung’ so kunstvoll und überzeugend miteinander verbunden worden. Das nur angedeutete Schrittmotiv ist – bevor es wirksam wird – in ein Standmotiv umgedeutet; die Bewegung ist ganz in die Körperdrehung im Bereich von Oberschenkel, Becken und Oberkörper verlagert. Der angewinkelte linke, in die Hüfte gestemmte Arm stützt diesen Ablauf, während die auf der Schulter ruhende rechte Hand den Körper vor den auf ihn einwirkenden Kräften der Natur schützt. Das zur Seite gewandte Antlitz mit den wehenden Haaren verrät gleichzeitig Hingabe und Erstaunen über die Mächte des Kosmos“ (Ausstellungskatalog Galerie Koch, Hannover, 1980, S. 73). Ein 148 cm hohes Bronzeexemplar, auf der rückwärtigen Standfläche in Ligatur mit FK bezeichnet und auf der Leiste mit „H. NOACK Berlin.“ gestempelt, ist in der Sammlung H. Braun erhalten und wird 1980 und 1991 auch von Hermann Braun abgebildet. Die Stempelung mit der Ortsangabe ‚Berlin’ ohne den Zusatz ‚Friedenau’ deutet möglicherweise auf einen Guss nach 1945/50 hin (die Chronologie der Stempeltitulierung ist noch nicht abschließend geklärt: freundl. Hinweis von Herrn Jürgen Klebs, Berlin-Lichterfelde). Es wäre damit die fünfte Ausformung der Figur „In Wind und Sonne“ von 1936. Alles deutet darauf hin, dass die weibliche Bronzeplastik im Botanischen Garten das Werk ist, das sich im Besitz des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda befunden hat. Dass es sich um das 1948 in Schleswig-Holstein befindliche Stück handelt, ist eher unwahrscheinlich. Die Herkunft von 1975 aus einem Gebäude der Senatsverwaltung, das vor 1945 der Reichsverwaltung gedient hat, ist, verbunden mit der Geschichte des Stückes im Ministergarten am Wilhelmplatz, ein Indiz dafür, dass es sich um die Bronzefigur aus Reichsbesitz handelt. Nicht ganz auszuschließen ist es natürlich, dass es sich bei der Figur im Botanischen Garten um jene handelt, die Klimsch 1943 selbst in die Auslagerung gab. Dann könnte diese Figur anstelle der zuerst im Garten des Propagandaministeriums aufgestellten Plastik in „Staatsbesitz“ (bzw. Senatsbesitz) überführt worden sein. Diese Frage dürfte sich nicht mehr völlig klären lassen. (Jörg Kuhn)
Verwendete Materialien
PlastikBronze
StandplatteBeton, in eine kleinteilige Granitsteinpflasterung eingelassen
Technik
Plastikgegossen
Standplattegegossen
ZustandZeitpunkt
gesamtgut2009
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Bloch, Peter: Ethos und Pathos: die Berliner Bildhauerschule 1786-1914, Berlin, 1990.
  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 126.
  • Klimsch, Uli: Fritz Klimsch : Die Welt des Bildhauers, Berlin, 1938, S. 102.
  • Braun, Hermann: Fritz Klimsch : eine Dokumentation, Köln, 1991.

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