Dem Leben gewidmet – Tschernobyl

Dem Leben gewidmet – Tschernobyl

Foto: Nicola Vösgen, 2019, CC-BY-4.0

Breite Reliefstele. Auf der kleinen Grünfläche zwischen dem ehemaligen Kaufhaus und den Straßenbahngleisen in der Karl-Lade-Straße steht auf einem hohen Sockel ein großes längsrechteckiges Relief mit zwei Ansichtsseiten. Auf der einen Seite befindet sich inmitten eines atomaren Strahlenkranzes eine auf die Knie gestürzte männliche Figur mit seitlich weit ausgestreckten Armen, die jedoch keinen Halt mehr finden. Auf der anderen Seite die Figur einer knienden Mutter, die Arme schützend um das Kind auf ihrem Schoss gelegt. Beide Figuren sind umgeben von einem Blätterkranz, als Symbol für das zu schützende Leben. Die Gestaltung der Figuren erinnert an mittelalterliche Christus- und Madonnendarstellungen. Auf beiden Reliefseiten sind außen zahlreichen Vögel dargestellt, die zugleich abzustürzen und aufzusteigen scheinen und symbolisch den Tod und zugleich Hoffnung und Zuversicht andeuten. An der westlichen Schmalseite befindet sich unten rechts eine Bildhauersignatur in kyrillischen Zeichen.
Ein Erläuterungsschild befindet sich an der südlichen Sockelseite oben rechts: Dem Leben gewidmet – / die Vögel von Tschernobyl / Juri Sinkewitsch, UdSSR – Sandstein 1987 (Nicola Vösgen).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Sinkewitsch, JuriKünstler_In1987
SSR / Ukraine; Name auch: Yuliy Lvovich Sinkevich; Juri/Juli Synkevich
Datierungshinweise
1988 aufgestellt im Fennpfuhlpark
Objektgeschichte
Vom 31. Juli bis zum 30. September 1987 fand das 2. Internationale Berliner Bildhauersymposium im Schlosspark in Berlin Buch statt. Teilnehmer waren acht Bildhauer_innen aus Bulgarien, der CSSR, Finnland, Polen, Rumänien, Syrien, der UDSSR und Ungarn sowie sechs Künstler aus der DDR (Rolf Biebl, Clemens Gröszer, Karl Blümel, Claus-Lutz Gaedicke, Michael Mohns und Jürgen Pansow). Die unter der Schirmherrschaft des Magistrats von Berlin durchgeführte Sommerwerkstatt trug das Motto „Poesie der Großstadt“. Allen Künstlern wurde Reinhardtsdorfer Sandstein für Ihre Arbeiten zur Verfügung gestellt. In der „Bildenden Kunst“ war im September 1987 zu lesen, dass die Symposiums-Plastiken anschließend in der „neueröffneten Berliner Gartenschau“, dem im Mai 1987 eröffneten Erholungspark in Berlin-Marzahn, Aufstellung finden sollten (Nachrichten aus der DDR. Berlin (o.V.), in: Bildende Kunst. 35. Jg., 1987, Heft 9, S. 431). Hierbei handelte es sich um eine Fehlinformation, denn in Marzahn waren bereits die Plastiken aus dem 1. Internationalen Bildhauersymposium von 1984 aufgestellt. Im Februar 1986 war in der „Kunstkonzeption - Konkretisierung bezüglich Plastik [für den] Wohnkomplex Leninallee, Ho-Chi-Minh-Str., 3. WG, 4. BA, Kunstkonzeption für Plastik im Freiraum“ vorgeschlagen worden, dass die „Ergebnisse der Bildhauer Symposien in Reinhardtsdorf … vollständig im Freizeitpark am Fennpfuhl im Rahmen einer mehrmonatigen (max. 2-jährig.) Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt ...“ werden sollten (Landesarchiv Berlin, C Rep. 735, Nr. 221, unpag.). Als Hauptstandort für die Plastiken war der Bereich zwischen Sporthalle und der ehemaligen Gaststätte „Seeterrasse“, also der Bereich westlich des Fennpfuhlsees, vorgesehen. Im Januar 1988 sind die Fundamente für die Plastiken im Fennpfuhlpark errichtet worden, am 24. März 1988 fand die Abnahme der hier zunächst temporär aufgestellten Plastiken statt (Landesarchiv Berlin, C Rep. 735, Nr. 64, unpag.). Zu diesem Zeitpunkt war vorgesehen, dass die Plastiken später ihre endgültigen Standorte an markanten Plätzen in Berlin erhalten sollten. In dem Magistratsbeschluss 570/88 vom 2. Dezember 1988 wurde jedoch „der Park am Anton-Saefkow-Platz als endgültiger Standort für die zum 2. Internationalen Bildhauersymposium 1987 entstandenen Plastiken bestätigt.“ (a.a.O.). Seit Februar 1989 unterstehen die Plastiken dem Stadtbezirksgartenamt Berlin-Lichtenberg (Landesarchiv Berlin, C Rep. 735, Nr. 357, unpag.). Von den 14 Plastiken, die im Rahmen des Symposiums geschaffen wurden, befinden sich aktuell 11 Skulpturen im Fennpfuhlpark. Der Künstler Yuliy Lvovich Sinkevich, der damals im sowjetischen Kiew lebte, hat das Relief unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die sich im April 1986 nahe der Stadt Prypjat ereignet und weltweites Entsetzen ausgelöst hatte, geschaffen. In der Berliner Zeitung wurde folgende Interpretation formuliert: „Einem sehr gewichtigen und zugleich diffizilem Sujet sucht sich der Kiewer Juli Sinkewitsch künstlerisch zu nähern: ‚Dem Leben gewidmet Die Vögel von Tschernobyl‘ heißt seine langgestreckte, von beiden Seiten reliefartig gestaltete Mahnmalplatte. Inmitten vom Himmel herabstürzender toter Vögel erhebt sich als Symbol des zu schützenden Lebens die Figur einer Mutter mit Kind.“ (Berliner Zeitung, 43. Jg., 26.09.1987, S. 10). Die Plastik ist im März 1988 an diesem Standort aufgestellt worden. Bereits 1993 war die Notwendigkeit „einer gründlichen Reinigung von Farbschmierereien“ formuliert worden (vgl. Brösicke-Istok, Sylvia, u.a.: Plastiken, Denkmäler und Brunnen im Bezirk Lichtenberg, Berlin 1993, S. 11). Vermutlich ist zwischenzeitlich eine Reinigung erfolgt, die aktuellen Beschmierungen scheinen neueren Datums zu sein (Nicola Vösgen).
Maße
SockelHöhe1 m
SockelBreite0.8 m
SockelTiefe0.65 m
FigurHöhe1.2 m
FigurBreite3 m
FigurTiefe1 m
Verwendete Materialien
FigurSandstein, Reinhardtsdorfer Sandstein
SockelBeton
Technik
Figurbehauen
Sockelgegossen
Inschriften
Bezeichnung (gemeißelt)
westliche Schmalseite, an der rechten Schwinge des untersten Vogels
Künstlermonogramm in kyrillischen Buchstaben
Plakette (appliziert)
an der südlichen Sockelseite oben rechts
Dem Leben gewidmet - / die Vögel von Tschernobyl / Juri Sinkewitsch, UdSSR – Sandstein 1987
ZustandZeitpunkt
beschmiert2019
biogener Bewuchs, stark2019
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Brösicke-Istok, Sylvia: Plastiken, Denkmäler und Brunnen im Bezirk Lichtenberg, Berlin, 1993, S. 11.
  • Goder, Ernst: Plastiken, Denkmäler, Brunnen in Berlin: Gesamtverzeichnis, Katalog, Berlin, 1993, S. 26.
  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 254.

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