Die Marmorfigur Goethes steht auf einem Sockel. Goethe ist stehend dargestellt, die Beine in leichter Ponderierung mit vorgesetztem rechten Bein. Die rechte Fußspitze ragt leicht über den runden Plinthenrand hinaus. Der Dichter trägt ein historisches Kostüm, das der weimarischen Hoftracht des endenden 18. Jahrhunderts entspricht. Über dem Justo-Corps trägt er einen lang herabfallenden Mantel mit Pellerine. Während Goethe den Mantel vorne mit der rechten Hand, in der er eine Schriftrolle umfasst, zur Hüfte hin heraufrafft, fällt der dickstoffige Mantel links entlang des Körpers in welligen Falten herab, im Verlauf nur durch das Einklemmen mit der linken, in die Seite gestützten Hand gehemmt. Hinten fällt der Mantel bis zur Plinthe herab und staut sich über der baumstumpfartigen Stütze, die der Marmorfigur den notwendigen statischen Halt gibt. Der Kopf, den Schaper in Anlehnung an die berühmte sogenannte à-tempo-Büste, die Christian Daniel Rauch im Wettbewerb mit Christian Friedrich Tieck 1820 innerhalb von 3 Tagen in Weimar modelliert hatte und die in zahlreichen Wiederholungen bis heute das Bild Goethes als „Olympier“ prägt, gestaltete, ist analog zum Vorbild leicht zur rechten Körperhälfte (vom Betrachter aus links) gewendet. Schaper hat, darin abweichend von Rauch, unter Zuhilfenahme der beiden zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschaffenen Lebendmasken das Gesicht im Sinne des neubarocken Naturalismus modifiziert und gleichzeitig den Dichter verjüngt, so dass dieser etwa als 40jähriger Mann erscheint. Damit wurde zum Einen eine chronologisch korrekte Anpassung an die gewählte Bekleidungsmode erreicht, zum anderen dem Bedürfnis der Auftraggeber Rechnung getragen, Goethe in der Fülle seiner Schaffenskraft und gleichzeitig überhöht als Geistesheros zu charakterisieren. Die togaartige Drapierung des Mantels unterstützt dabei den Anspruch nach einer überzeitlich gedachten Darstellung. Schaper griff dabei auf die schon von Rauch in vorbildlicher Weise bei seinen Berliner Denkmälern für die Generäle v. Bülow und v. Scharnhorst (1822) vorgenommene Übersetzung antiker Gewandformen in zeitgenössische Bekleidung zurück. Die Reduzierung der bei Dichterdenkmälern seit dem Klassizismus üblichen Attribute auf die Schriftrolle erhöht die bei aller malerischen Komposition vorherrschende gestalterische Klarheit der Figur. Schaper verlagert die erklärenden „Zutaten“ in den Sockelbereich. Er ist darin kein Neuerer, wie Vergleiche mit früheren Goethe-Denkmälern zeigen. Auch Begas führt am Sockel seines Schiller-Denkmals des Dichters Wirken in weiblichen Allegorien vor. Schapers sechs je zu Zweierpaaren zusammengefassten Sockelfiguren führen jedoch ein stärkeres Eigenleben und wären auch ohne die Einbindung in das Dichterdenkmal als autonome Kunstwerke „überlebensfähig“ (Es sei hier auf die Trauerfigur des Grabdenkmals Wahlländer auf dem Alten St. Matthäuskirchhof in Schöneberg verwiesen, die Schaper mit leichter Modifizierung nach seiner Denkmalsfigur des „Dramas“ 1884 schuf!). Der eigentliche Sockel ruht auf einem einstufigen Podest aus grauem Granit auf. Die Sockelfront zeigt ein Inschriftenfeld mit Inschrift. Die in kompositionell perfekter Stellung um den auf mehrfach gegliedertem, polygonalem Unterbau aufruhenden, antikisierend mit Friesbändern umzogenen Rundsockel gesetzten Figurengruppen, symbolisieren die lyrische Dichtkunst (rechte Sockelseite; antikisch bekleidete Muse mit Lyra, begleitet vom nackten, geflügelten Amor), die dramatische Dichtkunst (linke Sockelseite; antikisch bekleidete Frauengestalt mit Schleiertuch und Schriftrolle, begleitet von einem nackten, geflügelten Genius mit Fackel des Todes) und die wissenschaftliche Forschung (Sockelrückseite; antikisch bekleidete Frauengestalt mit Buch, begleitet von einem nackten, geflügelten Genius mit der Fackel der Wahrheit). (Jörg Kuhn)
Epoche
Schaffende/
Schaper, Fritz (Künstler:in)
1872-1880
Kayser, Heinrich (Entwurf)
des historischen Gitters (Architekturbüro Kayser & Groszheim)
Groszheim, Carl von (Entwurf)
des historischen Gitters (Architekturbüro Kayser & Groszheim)
Müller, Hermann (Steinmetz:in)
der Ausführung des Sockels
Datierungshinweise
Einweihung am 2. Juni 1880; 1982 abgebaut und deponiert; 2010 Wiederaufstellung nach gründlicher Wiederherstellung des stark beschädigten Originals (die Feinzementkopie von 1987 ist dafür abgebaut worden).
Objektgeschichte
Nach der offiziellen Wettbewerbs-Ausschreibung für das Goethe-Denkmal wurden im Mai 1872 fünfzig Entwürfe der öffentlichkeit vorgestellt. Der damals noch wenig bekannte Schaper fand mit seinem Modell des auf einem zylindrischem Sockel, umgeben von allegorischen Frauengestalten stehenden jugendlichen Goethe beim Publikum großen Zuspruch. Das Denkmal-Komitee konnte sich nicht entscheiden und forderte die Künstler der vier besten Entwürfe auf, ihre Modelle ggf. zu überarbeiten und erneut einzureichen. Schließlich wurde Schaper, der sich in der Endfassung für einen älteren Goethetyp entschied, 1873 die Ausführung des Denkmals zugesprochen. Am 2. Juni 1880 wurde das Denkmal in Anwesenheit der königlichen Familie und ranghoher Vertreter aus Politik und Kultur enthüllt. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Denkmal ohne gravierende Beschädigung und wurde in den Jahren 1959/1960 restauriert. 1982 wurde das Original in das damalige Lapidarium am Landwehrkanal verbracht und 1987 am Standort eine Betonkopie von Harald Haacke, Dietrich Starcke und Bildhauer Kube aufgestellt. Am 12. November 2010 fand die Wiedereinweihung des am Originalort aufgestellten Goethedenkmals statt. Das aufwändige schmiedeeiserne Gitter ist rekonstruiert worden. Bei dem Denkmal handelt es sich um einen Höhepunkt historistischer Denkmalkunst und um ein Hauptwerk der Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts sowie um ein Hauptwerk von Fritz Schaper (Marc Wellmann, Jörg Kuhn).
Maße
Verwendete Materialien
Marmor (gesamt) (Materialarchiv)
Granit (Unterbau) (Materialarchiv) , hellgrau, schlesischer
Technik
Inschriften
Inschrift (eingemeißelt, vergoldet)
am Sockel, Vorderseite
»GOETHE / ERRICHTET / IM JAHRE / MDCCCLXXX.«
Bezeichnung (eingemeißelt)
am Objekt
»F. SCHAPER.1880.«
Zustand
Vollständigkeit
vollständig, nach Grundrestaurierung bis 2009
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