Berlin

Berlin

Foto: Susanne Kähler, 2003, CC-BY-4.0

Die Plastik besteht aus zwei Stahlkörpern, die 43 und 44 Tonnen wiegen. Auf zwei vierkantigen Pfeilern ruht jeweils auf der Horizontalen in ca. fünf Metern Höhe ein weiteres Stahlelement, aus dem vier tentakelartige schmalere Blöcke wachsen. Die beiden Pfeiler sind unterschiedlich ausgerichtete, aber doch gleich gelagerte Kräftepole. Sie stehen schräg zueinander, so dass die wagrechten Stahlelemente mit ihren aufgesplitterten Blöcken wie Hände zueinander suchen, einander umspielen, kurz davor scheinen, sich ineinander zu verzahnen, jedoch einander nicht erreichen. Einige Arme machen eine Verbindung möglich, bei anderen Konstellationen ist ein Berührungskonflikt vorprogrammiert, da das Gegenüber zurückweicht. Es ist ein Wechselspiel von Annäherung und Abwehr, eine Verbindung von Statik und Dynamik. (Mirjam Brusius)

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Chillida, EduardoKünstler_In1999-2000
gegossen in Chillidas eigener Werkstatt mit Gießerei in Reinosa, Spanien
Datierungshinweise
Die Enthüllung fand am 25. Oktober 2000 statt; 2002 Umsetzung der Plastik
Objektgeschichte
Eduardo Chillidas Plastik "Berlin" entstand im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland für das neue Bundeskanzleramt in Berlin. Der Auftrag wurde noch zu Regierungszeiten von Bundeskanzler Helmut Kohl angeregt und entstand aus der Idee heraus, dem Berliner Regierungssitz ein ähnliches künstlerisches Wahrzeichen zur Seite zu stellen, wie es damals die sanft gerundete Bronzeplastik von Henry Moore seit 1979 vor dem ehemaligen Regierungssitz in Bonn tat. Helmut Kohls Nachfolger, Bundeskanzler Gerhard Schröder, griff den Vorschlag auf und realisierte weitere Unternehmungen. Kosten entstanden für die Regierung keine, da das Münchner Ehepaar Rolf und Irene Becker als Sponsor gewonnen werden konnte Chillidas Idee zur Berlinskulptur entspringt einer kleinen Arbeit "Berlin I", in der der Künstler seine Berlineindrücke vor und nach der Wende schilderte. Seit Beginn 1999 arbeitete der Künstler an Entwurfsarbeiten. Im selben Jahr ging der Entwurf in die Schmiede, wo Stahl im Hochofen von Reinosa 48 Stunden lang bis zu 1200 Grad erhitzt und von großen Maschinen unter Aufsicht des Künstlers zurechtgebogen wurde. Eduardo Chillida ist seit den 1950er Jahren für seine Eisenskulpturen bekannt, deren Material in der Schmiede- und Industrieregion und Chillidas Heimat, dem Baskenland, eine jahrhundertelange Tradition hat. "Berlin" ist seiner "Windkamm"-Typologie verpflichtet. Im März 2000 besichtigte der Künstler zusammen mit Vertretern aus Politik und der Berliner Kulturlandschaft sowie den Architekten des Kanzleramtes das Gelände des Regierungssitzes, um einen geeigneten Aufstellungsort für die Plastik zu finden. Nach ihrer Fertigstellung befand sie sich am Eingang des Parks und Freilichtmuseums "Chillida-Lek" in der Nähe der baskischen Heimat Chillidas San Sebastian, wo sie von Gerhard Schröder im September 2000 besichtigt wurde. Am 6. Oktober traf die Plastik vor dem Bundeskanzleramt Berlin ein und wurde bis zur Eröffnung verhüllt. Die Enthüllung fand am 25. Oktober 2000 statt. Bundeskanzler Schröder würdigte das Werk in seiner Rede als "künstlerischen Kommentar, der fast ideal den Aufbruch des vereinigten Deutschlands in einem neuen, offenen Europa versinnbildlicht." Er verstand das Werk als Aufforderung, aufeinander zuzugehen und als Bild-Ikone für das vereinigte Deutschland. Am 25. Juni 2002 fand eine Umsetzung statt, um der Skulptur eine größere Eigenständigkeit gegenüber der Architektur des Kanzleramtes zu geben. Der Plastik und seinen Auftraggebern wurde in der Presse immer wieder Eindeutigkeit, Mangel an Komplexität und eine plakative Umsetzung des deutschen Einheitsgedankens, verursacht durch eine Politisierung der Kunst, vorgehalten. Dem wurde die Vielschichtigkeit von Chillidas Plastik entgegengehalten, in der nicht nur Einheitsmühen anklängen, sondern auch das bei seinen Skulpturen an der baskischen Steilküste über dem Meer immer wieder kehrende weiter gefasste Motiv der Wiederverbindung dessen, was einmal zusammen war. Die ausladende, energiegeladene Dramatik der Plastik, in der auch ein aggressives Moment zu erkennen ist, und nicht zuletzt die Wahl des Materials Stahl, heben das Werk von Moores Bonner Bronzearbeit ab und machen es zu einem Zeichen des Neuanbruchs der "Berliner Republik". Vor dem Mauerfall schufen Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff zwischen 1985 und 1987 bereits eine Skulptur mit dem Titel "Berlin" (für den Skulpturenboulevard Kurfürstendamm und Tauentzienstraße in Charlottenburg), die möglicherweise als Anregung für Chillidas Skulptur gedient haben mag (Mirjam Brusius).
Maße
gesamtHöhe5.5 m
Länge4.45 m
Breite4.25 m
Gewicht8.75 Tonnen
Verwendete Materialien
gesamtCOR-TEN-Stahl, künstlich korrodiert
Technik
gesamtgegossen
geschweißt
montiert
ZustandZeitpunkt
gesamtgut2003
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Dickel, Hans: Kunst in der Stadt : Skulpturen in Berlin 1980 - 2000, S. 90-91. Beitrag von Agata Dirkes
  • Kähler, Susanne: Stahlplastiken in Berlin - Zur Etablierung des Materials im öffentlichen Raum, S. 131-152, besonders S. 135-136, 138. Abb. 4
  • Chillida, Eduardo: Chillida : Neuer Berliner Kunstverein, Martin-Gropius-Bau, [Stuttgart], 1991.
  • Beloubek-Hammer, Anita: Eduardo Chillida, Hommage à Johann Sebastian Bach, Berlin, 1998.

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