Grabstätte der Familie Humboldt

Grabstätte der Familie Humboldt

Foto: Jürgen Tomisch und Barbara Anna Lutz, 2020, CC-BY-4.0

Westlich von Schloss Tegel erstreckt sich in Richtung Tegeler See der naturbelassene Schlosspark, der zwischen 1777 und 1792 von Christian Kunth, dem Hauslehrer der Brüder Humboldt, angelegt wurde. Ganz am Ende der großen Wiese und der Lindenallee, wo der Park in den Wald übergeht, liegt die von Karl Friedrich Schinkel 1829 konzeptionierte Grabstätte der Familie Humboldt. Schinkel schuf in Sichtweite der Wohnstätte der Familie eine antikisch anmutende Familienlege, ein Campo Santo, wie es ähnlich an der Gräberstraße von Pompeji zu finden war. Sie besteht aus einem weiten Oval, einer antikisierenden Hippodromform, die einst, um sie „auch räumlich wirksam werden zu lassen, (…) vollständig mit einer dichten Fichtenpflanzung umgeben“ war, die die Pinien und Zypressen Italiens ersetzen mussten (vgl. Krosigk, 1995, S. 246). Heute wird das weitgehend mit Rasen bepflanzte Oval von einer mannshohen Eibenhecke mit Durchlässen umfasst und nur bei der eigentlichen Grablege im Halbrund bilden hohe Fichten heute noch den dunklen Hintergrund. Hier steht im Zentrum auf einem mehrfachgestuften Postament mit marmorweißem Sockel eine über fünf Meter hohe ionische Säule aus poliertem rötlichem Granit. Sie trägt seit 1831 als Kopie eine weiße Marmorfigur der Hoffnung (Spes) des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen, die Christian Friedrich Tieck für die Grabstätte gefertigt hatte. Die junge
weibliche Figur hält in der rechten Hand eine Granatapfelblüte als ein Versprechen auf die Zukunft, während sie mit der linken ihr Gewand hebt.
Die Säule ist Caroline von Humboldt gewidmet, der Ehefrau von Wilhelm von Humboldt. Sie war 1829 die erste, die unter ihr beigesetzt wurde, sechs Jahre später folgte Wilhelm. An den vier Sockelseiten sind die Lebensdaten Carolinens, Wilhelms, Alexanders und ihrer allernächsten Anverwandten eingemeißelt, während zu Füßen der Säule unter schlichten Efeuhügeln, einheitlich mit 24 kleinen Marmorplatten belegt, die Mitglieder der Familie ruhen. Die Grabsteine tragen vorderseitig jeweils die Namen und Lebensdaten in römischen Ziffern sowie rückseitig jeweils ein Spruch. Darunter ist auch der Stein von Alexander von Humboldts, gestorben 1859, auf dessen Rückseite steht:
Du wirst im Alter zu Grabe kommen, / Wie Garben eingeführet zu seiner Zeit.
Seitlich der Grabsteine sind Rosenstöcke gesetzt.
Bis heute werden hier Nachfahren der Familie Humboldts beerdigt. Helle weiße Marmorsteine weisen auf die in letzter Zeit Verstorbenen hin. Das Geviert der Gräber wird von einem schlichten Eisengitter umgrenzt, das auf eine Exedra-Bank trifft. Die steinerne Ruhebank mit hoher Mauerlehne schließt rückwärtig der Säule einer Apsis gleich die Ruhestätte. Von der Bank, die das Halbrund der Hippodromform zugleich nachzeichnet, hat man einen weiten Blick über Gräber und Schlosswiese hinweg auf das Schloss.

Wilhelm von Humboldt beschrieb die Grabstätte 1830:
„Es besteht in einer zwölf Fuß hohen, sehr schön polierten Granitsäule mit Sockel und ionischem Kapitäl von weißem Marmor. Die Säule steht auf einem Postamente, welches die Inschrift trägt, und dieses wiederum auf vier Stufen. Postament und Stufen sind aus grauem Marmor. Auf der Säule wird die Statue der Hoffnung in Aeginetischen Stille stehen, welche meine Frau vor langer Zeit bei Thorwaldsen bestellt hatte, und die jetzt unterwegs ist. Ob ich aber die Statue selbst der Witterung aussetze, oder eine Copie davon machen lasse, ist noch nicht entschieden. Vor den Stufen des Grabmales ruht der Körper in der Erde an der Seite, wo man das Haus im Gesicht hat; die Umfassung ist auf der hinteren Hälfte ein steinerner Halbkreis, welcher zugleich eine Bank bildet und an dem sich vorne ein eisernes Gitter in viereckiger Form anschließt. Das Ganze steht an einem Fleck, der auf einer Seite von einer großen Eiche und dunklen Tannen beschattet ist, aber übrigens freie Aussicht auf das Feld und den See hat. Die Entfernung zum Haus ist zwar mässig, aber doch so, wie die Stille eines Grabes sie fordert.“ (Brief Wilhelm von Humboldt an Welcker am 29. Januar 1830)
(Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz)

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Schinkel, Karl FriedrichKünstler_In1829-1831
Gestaltung der Grabanlage
Thorvaldsen, BertelKünstler_In
Spes-Statue
Tieck, Christian FriedrichKünstler_In
Kopie Spes-Statue von Thorvaldsen
Datierungshinweise
1818 Spes-Statue (Original), 1829 Grabstätte, 1831 Aufstellung Spes-Statue auf der Säule (Kopie), 1830 Aufstellung Spes-Statue im Schloss (Original)
Objektgeschichte
Der Park des Gutshauses Tegel wurde ursprünglich in den Jahren 1777 bis 1792 vom Verwalter und Hauslehrer der Humboldts, Gottlob Johann Christian Kunth, angelegt. Die Idee zur Anlage einer Grabstätte für die Familie Humboldt im Park geht auf Wilhelm von Humboldt und seine Frau Caroline von Dacheröden zurück. Wilhelm hatte Gut Tegel 1802 im Rahmen einer Erbteilung zugeschrieben bekommen. Nach dem Tode Carolines (26. März 1829) ließ er 1829 am Ende der Wiesenaue eine Familiengrablege nach Entwurf von Karl Friedrich Schinkel anlegen. Hier fand Caroline ihre letzte Ruhestätte unter einer ionischen Säule mit der Statue der Hoffnung. Damit entsprach Wilhelm dem Wunsch Carolines. Sie hatte den Platz in Blickbeziehung zum Schloss bereits vor ihrem Tode ausgesucht. „Meine Frau hat in Tegel im Garten begraben sein wollen; sie hat den Fleck bezeichnet, wo eine Eiche unter Tannen steht und hat so menschlich, als wollte sie bei uns bleiben, hinzugefügt: da sieht man das Haus,“ schreibt Wilhelm von Humboldt an Karoline von Wolzogen 1829. (Wilhelm von Humboldt an Karoline von Wolzogen, Berlin, 9. April 1829. In: Wendland. Folkwin: Berlins Gärten und Parke von der Gründung der Stadt bis zum ausgehenden neunzehnten Jahrhundert. Berlin 1979, S..292.) Auch die Statue der Hoffnung von Bertel Thorvaldsen auf der Säule der Grabstätte ist eng mit Caroline verbunden. Sie hatte noch zu Lebzeiten in Rom bei Thorvaldsen (1770-1844) Modell gestanden, der die weiße Marmorskulptur 1818 dort vollendete. Caroline hatte die Skulptur der römischen Göttin Spes, die die Hoffnung verkörpert, beim befreundeten Künstler für Tegel in Auftrag gegeben. Allerdings fand die Figur ihren Platz 1830 inmitten der Kunstsammlung der Humboldts im von Schinkel 1821-24 umgebauten Gutshaus. Wilhelm von Humboldt hatte eigentlich beabsichtigt, die Figur auf die Spitze der Säule zu stellen, sie war aber Anfang des Jahres 1830 noch nicht in Tegel eingetroffen. Auch wollte er die Marmorstatue nicht der Witterung aussetzen. So ließ er vom ebenfalls mit dem Ehepaar befreundeten Bildhauer Christian Friedrich Tieck eine Kopie anfertigen, die erst ab 1831 die ionische Säule inmitten der Grabstätte zierte (vgl. Hildebrandt, 1906, S. 130 f.) Sie ist eine leicht verkleinerte Kopie aus weißem Carrara Marmor und in der Gestaltung geringfügig verändert. (Kneffel, Heidelore: Heute von 189 Jahren starb Caoline von Humboldt „....wenn die Poesie nicht wäre?“. In: nnz-online 27.03,2018: https://www.nnz-online.de/news/news_lang.php?ArtNr=232973). Das Original der Spes-Figur wurde 1945 von der Roten Armee beschlagnahmt und anschließend in Ost-Berlin auf der Museumsinsel und in der Staatsbibliothek zwischengelagert. Nach der Wende wurde sie 1990 neben anderen Skulpturen, Reliefs und Archivunterlagen nach Schloss Tegel rücküberführt und wird heute im Blauen Turmkabinett aufbewahrt. Die Grablege hat zahlreiche Gräber des beginnenden 19. Jahrhunderts bis heute der verwandten Familien von Bülow, von Heinz, von Hedemann, von Dacheröden und von Sydow. Die Anlage hat sich in veränderter Form – was vor allem die gärtnerische Gestaltung betrifft – erhalten. 2009 fand eine umfassende Restaurierung statt. Schloss und Park stehen unter Denkmalschutz (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz). weitere verwendete Internetquellen: https://kulturfuehrer.kulturring.berlin/index.php?hk=1&uk=19&b=8&e=3
Maße
SäuleHöhe5.5 m
Verwendete Materialien
SpesMarmor
SäulePorphyr, rötlicher Granit
PostamentMarmor, Postament, Stufen und Sockel des Postaments
GrabsteineMarmor
Sockel GrabsteineKunststein
Gitter UmwehrungEisen
Technik
gehauen
ZustandZeitpunkt
insgesamtgut2020
Spes-Statueverkalkt, vergraut2020
Grabsteineverkalkt, vergraut2020
biogener Bewuchs2020
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 87 f..
  • Hammer, Klaus: Friedhofsführer Berlin. Historische Friedhöfe und Grabmale in Kirchenräumen, Berlin, 2001, S. 216 f..
  • Hildebrandt, Edmund: Friedrich Tieck. Ein Beitrag zur deutschen Kunstgeschichte im Zeitalter Goethes und der Romantik, Leipzig, 1906, S. 130 f..
  • Krosigk, Klaus-Henning von: Der Tegeler Schlosspark. In: Gärten der Goethe-Zeit, Leipzig, 1995, S. 243-249.
  • Krosigk, Klaus-Henning von: Schlosspark Tegel. In: Lesser, Katrin: Gartendenkmale in Berlin. Parkanlagen und Stadtplätze, Petersberg, 2013, S. 297-301.
  • Wendland, Folkwin: Berlins Gärten und Parke von der Gründung der Stadt bis zum ausgehenden neunzehnten Jahrhundert, Berlin, 1979, S. 289-293.
  • Haym, Rudolf: Wilhelm von Humboldts Briefe an F. G. Welcker, Berlin, 1859, S. 150 f..

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