Gießer

Gießer

Foto: Jürgen Tomisch und Barbara Anna Lutz, 2020, CC-BY-4.0

Der „Gießer“ und der „Schmied“ sind deutlich ein Paar und offensichtlich nach derselben Vorlage entwickelt worden. Sie unterscheiden sich in Haartracht und Kleidung, insbesondere aber durch ihre Attribute. Die aus Eisen gefertigten Werkzeuge mit ihren stark genarbten Oberflächen sind Originale aus Borsigs Fabrik. Ihr Erscheinungsbild entspricht dem „mittelalterlicher Handwerkerdarstellungen, wozu vor allem die »Dürerkappe«, die wie geschnitzt wirkenden Kopf-und Barthaare und die Beinkleider beitragen.“ (Bezirksamt Tiergarten von Berlin [Hrsg.], 1993, S. 11).
Der Gießer trägt wie der Schmied eine weite Bluse mit aufgekrempelten Ärmeln, enge Beinkleider und Halbschuhe. Seinen Bart und auch das Haupthaar trägt er kürzer, der Kragen seines Hemdes ist geschlossen.
In seiner linken Hand hält der Gießer eine Abstechstange, seine rechte umschließt den Griff seiner Masselzange. Er muss beweglich sein und trägt daher im Gegensatz zum Schmied eine kurze Schürze, „sie bedeckt nur gerade das Knie und hat auch kein Oberteil. Dafür […hat er] in der Bauchgegend eine zusätzliche Vorsatzschürze in rechteckiger Form vorgebunden“ (Ebenda.) , die ihn z.B. beim Transport der heißen Formkästen, vor der Hitze schützt.
Beide Figuren sind vollplastisch ausgearbeitete Standbilder, was ein Hinweis auf ihre ursprünglich freistehende Aufstellung ist. Sie wurden im Zinkhohlgussverfahren hergestellt und produktionsbedingt aus mehreren Einzelteilen durch Lötung zusammengesetzt. Dies ist stellenweise gut erkennbar. Sie sind mit einer farbigen Oberflächenbehandlung versehen, die Sandstein vortäuschen soll. Zur Befestigung an ihren früheren Standorten diente je ein Metallzapfen unter den Füssen. Im Inneren der Figuren befand sich eine ebenfalls angelötete Stützkonstruktion aus Rundeisen. Eine Halterung auf Gürtelhöhe kam erst bei der Restaurierung 1990 hinzu (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Blaeser, Gustav HermannKünstler_In1853-1898
Ehricke, HeinrichGießer_In
Köppen, LouisMitwirkende_R
Zusammenfügen der Gußelemente
Datierungshinweise
(März 1853 fertiggestellt), 1898 Aufstellung im Borsigtor
Objektgeschichte
Die beiden Figuren Schmied und Gießer sind eng mit der Entwicklungsgeschichte der von August Borsig gegründeten Gießerei und Maschinenbau-Anstalt verbunden. Sie spiegeln in gewisser Weise das Wachstum und die Entwicklung der Borsigwerke wider. Auf welchen Künstler die in einem Zinkgussverfahren hergestellten Figuren zurückgehen, ist noch nicht endgültig geklärt. Der früheste Hinweis auf eine solche Arbeiterfigur ist von einer Schmied-Plastik überliefert, die der Bildhauer Gustav Blaeser für die Borsigwerke geschaffen hat. August Borsig gründete 1837 vor dem Oranienburger Tor, in der Berliner Chausseestraße seine erste Fabrikanlage. 1845 ließ Borsig das Hüttengebäude seines Werks vergrößern. „Exponiert im Zentrum des Areals und mit der Front zur Chausseestraße gewandt, wurde […] ein »Turm 3 Etagen hoch, mit Uhr, zur Aufnahme eines Wasserreservoirs« errichtet…“. Der Bildhauer Gustav Blaeser erhielt 1845/46 den Auftrag, für diesen Turm die Figur eines, vermutlich bronzenen, Schmiedes anzufertigen (vgl. Puls 1996, S.229 f., WVZ 45.1). In der Folge schuf er noch verschiedene andere Arbeiten im Auftrag der Familie Borsig (vgl. Puls 1996, S.230). Zwischen 1847 und 1850 entstand in Moabit an der Spree eine zweite große Werksanlage. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlegten die Borsig-Werke ihren Sitz schließlich nach Tegel, wo 1897-1899 auf einem großen Areal am Tegeler See nach Planung der Architekten Konrad Reimer & Friedrich Körte neue Betriebsstätten errichtet worden waren. Im Zuge der Umsiedlung wurden die Standorte in Moabit und an der Chausseestraße aufgegeben. Die Werksanlagen an der Chausseestraße brach man ab; der Schmied von Blaeser gilt seither verschollen (vgl. Puls 1996, S.231). Seine Form und Gestaltung diente aber vermutlich als Entwurfsvorlage für die heute im Museum Reinickendorf ausgestellten Figuren von Schmied und Gießer. Sie sind bereits 1853 vom Kunstformer Heinrich Ehrike gegossen und von Gustav Seidel und Louis Köppen zusammengefügt worden. „Ihre erste Erwähnung findet sich im Zusammenhang mit der Dekoration des Borsig-Festes zur Vollendung der 500. Lokomotive im März 1854, wo sie „als Repräsentanten der Eisenfabrikation und des Maschinenbaues“ (in: Nationalzeitung, 26.3.1854, nach: Bezirksamt Tiergarten von Berlin (Hrsg.), 1993, S. 22) neben der Büste August Borsigs von Friedrich Wilhem Dankberg, platziert worden waren. Ab 1858 schmückten die Plastiken zunächst die Pfeiler des Portals zum neuen Lokomotivhebewerk auf dem Areal an der Chausseestraße (nach: Puls 1996, S. 232) und ab 1867 über 30 Jahre die Pfeiler des Werkseingangs in Moabit. Als die Brüder Ernst und Conrad Borsig Ende der 1890er Jahre ihren Firmensitz nach Tegel verlegten, fanden die beiden Plastiken von Schmied und Gießer in den Nischen der massiven Rundtürme des 1898 im Stil der märkischen Backsteingotik errichteten Hauptportals, des Borsigtores“, eine repräsentative Aufstellung als Torwächterfiguren, ähnlich derjenigen, die „einst der Ur-Schmied an der Chausseestraße innehatte“ (Puls 1996, S. 232). Anlässlich der Restaurierung des Borsigtores wurden 1990 auch die Figuren zur Restaurierung aus den Nischen im Tegeler Borsigtor entfernt. Die Lötnähte und auch die Oberflächen der Plastiken wiesen laut Restaurierungsbericht der Werkstatt Mühlenbein-Schelke „Alterserscheinungen wie Korrosionsabtrag, Rißbildungen und Materialermüdung“ auf. Bei den Restaurierungsarbeiten fand man im Inneren der Hohlkörper eingelegte Laufzettel, die Information zu Herstellern und Fertigstellung der Figuren geben. Geformt und gegossen wurden sie von „… Kunstformer Heinrich (?) Ehrike. Zusammengestellt von Gustav Seidel und Louis Köppen in Berlin.“ (Bezirksamt Tiergarten von Berlin (Hrsg.), 1993, S. 11) Während der Schmied erst im Dezember 1853 fertiggestellt wurde, entstand der Gießer bereits im März desselben Jahres. Nach der Restaurierung ersetzte man aus konservatorischen Gründen die Originalfiguren im Tor durch Galvano-Repliken mit sandsteinfarbenem Anstrich, gefertigt von der Regensburger Haber & Brandner GmbH. Die Originale stellte man 1993 im Foyer des Rathauses Reinickendorf neben dem Informationsschalter auf. Im März 2013 zogen die originalen Zinkgußfiguren ein weiteres Mal um – seitdem sind sie in der Ständigen Ausstellung des Museums Reinickendorf ausgestellt. Eine weitere Galvanoguss-Kopie, jedoch ohne sandsteinfarbenen Anstrich, wurde für das Heimatmuseum Tiergarten gefertigt (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).
Maße
gesamtHöhe
ohne Fußzapfen
1.92 m
Breite0.82 m
Tiefe0.5 m
Gewicht100 kg
Verwendete Materialien
FigurZinkguss
Technik
Figurgegossen
farbig gefasst
ZustandZeitpunkt
sehr gut2020
restauriert, 1990
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Hildebrandt, Bernd: Schmied und Gießer zwei Torwächter von Borsigs Fabrik, anlässlich der Ausstellung im Heimatmuseum Tiergarten, Berlin, 1993.
  • Denkmal des Monats, [In: Das Stadtteilmagazin! Blickpunkt Tegel], Berlin, 2013, S. 5.
  • Escherich, Jens: Wächter aus Zink: Borsig Berlin, [In: Drepper, Uwe / Becker, Jörg: Das Werktor. Architektur der Grenze], München, 1991, S. 126-129.
  • Jericho, Dirk: Geschichte neu inszeniert, [In: Berliner Woche, 24.April 2019, S. 7], Berlin, 2019, S. 7.
  • Lindner, Helmut : 150 Jahre Borsig, Berlin-Tegel, Berlin, 1987.
  • Mahler, Angelika: Die Denkmale in Berlin-Reinickendorf. Die Denkmalbereiche, Baudenkmale, Gartendenkmale und Bodendenkmale des Bezirks, Berlin, 1998, S. 150-155.
  • Puls, Michael: Gustav Hermann Blaeser: zum Leben und Werk eines Berliner Bildhauers; mit Werkverzeichnis der plastischen Arbeiten, Köln, 1996, S. 230–232, 369, 383.
  • Schlickeiser, Klaus: Entdecken Sie Reinickendorf. Spaziergänge in Tegel, Berlin, 2006, S. 84.

Ihre Information ist gefragt