Auerochse

Auerochse

Foto: Susanne Kähler, 2008, CC-BY-4.0

Die monumentale Darstellung des mit gesenktem Haupt vorwärtsdrängenden Auerochsen steht an der Südseite des Alboinplatzes. Die Tierfigur erhebt sich an der Grenze einer rechteckigen Platzanlage, nach Norden ausgerichtet, über das Ufer des Pfuhls „Blancke Helle“. Die Skulptur hat eine Länge von neuen Metern, eine Höhe von sechs Metern und besteht einschließlich ihres der Grundfläche des Tieres angepassten Sockels aus über 3000 kleinen miteinander verfugten geglätteten Quadern aus Rüdersdorfer Kalkstein. Dieses Material setzt sich nicht nur an den niedrigen Einfassungsmauern rechts und links des Auerochsen sondern in der gesamten Gestaltung des Alboinplatzes fort. Der terrassenartige Platz, auf dem der Ochse steht, ist seitlich mit Sitzbänken (Tiergartenbank Typ II) bestückt. Das Tier ist entsprechend dem rustikalen Materials in stilisierten Formen dargestellt. Die Vorder- und Hinterbeine stehen parallel, die Zwischenräume in diesem Bereich sind mit Steinflächen ausgefüllt, die Ansichten sind klar definiert (Susanne Kähler).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Mersmann, PaulKünstler_In1934-1936
Objektgeschichte
Der Alboinplatz, 1912 eröffnet (Bauleitung: Stadtbaurat Friedrich Gerlach), folgt in seiner heutigen von den großen Höhenunterschieden des Bereichs um den Pfuhl geprägten Gestaltung dem Konzept Erwin Barths aus den Jahren 1912 und 1930. Nach Ausführung des durch das Gartenbauamt Schöneberg modifizierten Plans von Barth fand am 29.9.1933 die Einweihung der umgestalteten Anlage des Alboinplatzes durch die nunmehr regierenden Nationalsozialisten statt. Im März 1934 fand die Ausgestaltung ihren Abschluss. Die an der Platzgestaltung beteiligten Arbeiter waren im Rahmen eines Programms für Erwerbslose beschäftigt. 1935 wurde am Planschbecken an der Nordseite des Alboinplatzes eine bronzene Pinguingruppe von dem Bildhauer August Kranz aufgestellt, die 1944 zu Kriegszwecken eingeschmolzen wurde. Zwischen April 1934 und Dezember 1936 entstand das Monument des Auerochsen, im Frühjahr 1937 wurde es eingeweiht, allerdings ohne offizielle Abnahme. Das Werk soll nicht dem Wunsch der Behörden entsprochen haben, sie forderten bereits 1936 seinen Abriss. Der aus Münster stammende Künstler Paul Mersmann (1903-1975) war seit 1931 in Berlin tätig. Bekannt ist Mersmanns Büste des mit ihm befreundeten Kunsthändlers Pels-Leusden im Käthe-Kollwitz-Museum. 1950 kehrte Mersmann in die Metallwerkstatt seines Vaters nach Münster zurück. Den Auftrag zu dem Monument am Alboinplatz erhielt Mersmann im Rahmen eines Künstler-Notstandsprogramms, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Plans von Ministerpräsident Hermann Göring. Mersmann wurden neben seinem Honorar 150m³ Rüdersdorfer Muschelkalkstein und 1500m³ Abbruchgestein zur Verfügung gestellt, das anlässlich des Baus des Reichsluftfahrt-Ministeriums anfiel. Die Ausführung des Denkmals lag bei Mersmann selbst und einem Gehilfen namens Simon sowie ungelernten Arbeitskräften. Bemerkenswert ist, dass Mersmann an seinem Auerochsen eine noch unerprobte Technik ausführte. Das Prinzip des Zusammensetzens aus Einzelsteinen machte die Maßübertragung mit Zirkelschlag vom Modell zum Original unmöglich. Diese in der Antike von den Ägyptern und Assyrern bei Reliefs angewendete Technik des Zusammensetzens einzelner Steinblöcke wurde von Mersmann für eine „materialgerechte Plastik“ aus einem märkischen Werkstoff übertragen (Vgl. Dirk Stadler: Gartendenkmalpflegerische Untersuchung zum Alboinplatz in Berlin-Schöneberg. Ein Stadtplatz von Erwin Barth, Diplomarbeit Berlin 1996, S. 33). Die Wahl des Motivs, der Auerochse, steht im Zusammenhang mit der Sagenwelt um den Pfuhl „Blancke Helle“, an dessen Böschung er platziert ist. Der Name des Gewässers geht zurück auf die germanische Mythologie. „Hel“ ist dort die Herrscherin über die Unterwelt, die Hölle. Der Sage nach bildete der See „Blancke Helle“ den Zugang zum Totenreich. Auf Geheiß der Göttin Hel soll zweimal jährlich ein schwarzer Stiere aus dem See gestiegen sein, um das Land urbar zu machen. Ein Priester wachte über den Opferstein Hels. Da es der christliche Nachfolger des Priesters versäumt hatte, Hel Opfer zu bringen, pflügte der Stier, der im Frühjahr aus dem Wasser stieg, nicht mehr den Boden, sondern verschlang den christlichen Priester. Das Monument des Stieres (oder Auerochsen als urzeitliche Variante) mag zwar in der künstlerischen Gestaltung nicht völlig überzeugen, unterstreicht aber durch Größe und Rätselhaftigkeit die Dramatik des sagenumwobenen Ortes. Besonders zu würdigen sind ist die Experimentierfreudigkeit des Künstlers, sein neuer Umgang mit dem Material, dass die Skulptur zu einem passenden Element des mit dem heimischen von Erwin Barth gewählten Rüdersdorfer Kalkstein ausgestalteten Platzes macht (vgl. auch: Hainer Weißpflug: Die „Blanke Helle“ - ein sagenumwobener Tümpel, in: Berlinische Monatsschrift, Nr.11, S. 58–61, Berlin 1996; Baudenkmale der Stadt Schöneberg (1898-1920), Text und Konzeption: Peter Lemburg, Hrsg. Bezirksamt Schöneberg von Berlin, Berlin 1998, S. 46; http://de.wikipedia.org/wiki/Alboinplatz (Zugriff 26.6.2008, 14.40h). Für die im Herbst 1960 stattgefundene Instandsetzung (Beseitigung der Kriegsschäden und Verwitterungserscheinungen) wurden 3000 Mark bewilligt. 2003-2005 wurde der Stier im Auftrag des Senats (Landesdenkmalamt - LDA) umfangreich durch den Bildhauer Hans Starcke (1957-2015) restauriert, dabei mussten die viereckige Werksteine zum Großteil einzeln überarbeitet werden. Zudem war die Verfugung schadhaft. Starker Pflanzenbewuchs und unsachgemäße vorausgegangene Behebung der Kriegsschäden 1960 mit Beton hatten zur Notwendigkeit beigetragen. Die Kosten betrugen 160.000 Euro, diese Maßnahme dauerte zwei Jahre und war im April 2005 abgeschlossen (Susanne Kähler).
Maße
Höhe6 m
Länge9 m
Verwendete Materialien
FigurKalkstein, Rüdersdorfer
KernZiegel
Technik
Figurgemauert
ZustandZeitpunkt
Figurbeschmiert2008
veralgt, leicht2008
Vollständigkeit
vollständig2003-2005 umfangreiche Restaurierung

  Nachweise

  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 91.
  • Lemburg, Peter: Baudenkmale der Stadt Schöneberg (1898-1920), Berlin, 1998, S. 46.

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