Auf dem Friedhofsgelände befinden sich zwei Bildreliefs der ehemaligen Wiener Brücke: Eines in der Nähe des Einganges Sandhauser Straße, beim Hauptweg. Das andere befindet sich bei einer kleinen Platzanlage.Die zwei Tondos sind große kreisförmige Bildhauerarbeiten. Die detailreichen Hochreliefs behandeln Motive aus dem Gigantenfries des Pergamon-Altars, die Szenen des dramatischen Kampfes der griechischen Götter mit den Giganten zeigen. Zur Aufstellung der in drei Teilen zerlegten Reliefs sind sie in ausgreifenden Steinquadern eingelassen. Sie zeigen jeweils ein Kampfpaar des Frieses als Kopie mit ergänzenden Nachbildungen der im Original fehlenden Teile.
Dieses Relief ist Hauptbestandteil einer Gedenkstätte, die den Opfern des Zweiten Weltkriegs gewidmet ist. Es zeigt eine Kampfszene des Ostfrieses – die Tötung des Giganten Alkyoneus durch Athena, die pergamenische Stadtgöttin. Die Darstellung der Kampfszene konzentriert sich auf Alkyoneus und Athena, wobei das fehlende Gesicht der Athena nachgebildet ist. Nicht dargestellt sind Nike, die Siegesgöttin, die mit Athena zusammen kämpft, sowie Gaya, die Mutter des Giganten. So zeigt die originelle Szene eigentlich, wie Athene den Giganten Alkyoneus vom Boden trennt, aus dem die Mutter der Giganten, Gaia, auftaucht. „Alkyoneus war der Sage nach solange unsterblich, wie er mit dem Erdboden verbunden blieb, wo er von der Kraft seiner Mutter durchströmt wurde.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Pergamonaltar).
(Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).
Kategorie
Epoche
Schaffende/
Wandschneider, Wilhelm (Künstler:in)
1895
Micheli, Carl Aurelius (Bildhauer:in)
Datierungshinweise
Aufstellung auf dem Friedhof Heiligensee nach 1945
Objektgeschichte
Die beiden Relief-Tondos wurden nach 1945 auf dem Friedhof Heiligensee aufgestellt. Sie schmückten einst die Stirnseiten der 1895 erbauten Wiener Brücke in Berlin-Kreuzberg, die im Zuge der Wiener Straße über den Landwehrkanal führte. Die Brücke war anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung in Berlin-Treptow 1896 zur Entlastung der Schlesischen Brücke errichtet worden. Für den Bauschmuck der repräsentativen Bogenbrücke wählte der Berliner Magistrat Motive vom Pergamonaltar, der einige Jahre zuvor von deutschen Archäologen ausgegraben und zur Sicherung nach Berlin gebracht worden war. Hier wurden zunächst Teile im Alten Museum gezeigt und unter großer Anteilnahme wurden Fragen der Ergänzung der fragmentarischen Skulpturen der Altarfriese diskutiert. Aus rotem Miltenberger Mainsandstein wurden vier Relief-Tondos für die Stirnseiten, die Kampfszenen aus dem Gigantenfries des Pergamonaltars wiedergeben sowie zwei Schlusssteine des Brückenbogens, die antike Kriegshelden darstellten. Die bildhauerischen Arbeiten übernahm u.a. Wilhelm Wandschneider. Von diesem sind zwei Tondos erhalten, die zum Friedhof Heiligensee kamen (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz). „Die Reliefs und zwei "pergamenische" Köpfe (die Schlusssteine des Brückenbogens) sind nach zeitgenössischer Presse von Wilhelm Wandschneider und Adolf Kürle gefertigt. Eindeutig im Nachlass Wandschneiders belegt ist dessen Autorenschaft für das "Athena-Relief"“(nach freundlicher Auskunft von Bernd Ruchhöft, Wandschneiderexperte). Da die Kampfszenen nur fragmentarisch erhalten waren, mussten die fehlenden Teile von Wandschneider nachgebildet werden. Hierfür waren zunächst eine Abformung und ein Abguss in Gips der originalen Friesteile notwendig, die dann mit den fehlenden Teilen ergänzt und in Sandstein als Tondo fertig modelliert wurden. Die Vorarbeiten übernahm die renommierte Berliner Firma Gebrüder Micheli, Gießerei für plastische Kunst (vgl. Weinland, 1994, S. 233). Die Gießerei Micheli wurde 1824 in Berlin gegründet. Die Brüder Claudio und Aurelio Micheli, beide auch bildhauerisch tätig, fertigten in ihren Werkstätten Reproduktionen von Plastiken nach bedeutenden Vorbildern in verschiedenen Materialien und Größen mit eigenen Kopiermaschinen an. So hatte die Firma bereits 1886 Kopien von Friesplatten des Pergamonaltars angefertigt, woran Aurelio Micheli wohl maßgeblich beteiligt war. Sie waren vermutlich die Grundlage für die Tondos der Brücke. Zu Ende des Zweiten Weltkrieges wurde im April 1945 die Wiener Brücke von deutschen Wehrmachtstruppen gesprengt, um den Vormarsch der Roten Armee zu behindern. Nach dem Krieg wurden zwei Wandschneider-Tondos aus den Trümmern geborgen und zum 1912 eröffneten Friedhof Heiligensee verbracht, wo sie sich noch immer befinden. Dabei ist das Relief (A) mit der Szene des sterbenden Giganten Alkyoneus, besiegt von der Göttin Athena, heute Hauptbestandteil eines Mahnmals für die Opfer des Zweiten Weltkriegs. Anlässlich einer umfassenden Sanierung der Brücke 1932 waren auch ihre Bildwerke bildhauerisch überarbeitet und mit einem Schutzanstrich versehen worden (vgl. Cornehls, W. / Röhr, E.: Die Wiederherstellung der Wiener Brücke über den Landwehrkanal in Berlin. In: Bautechnik 11 (1933), S. S. 505.). Die Relief-Tondos sind wichtige Zeugnisse der Rezeptionsgeschichte des Pergamon-Altars. Geschaffen als repräsentativer Bauschmuck der Wiener Brücke, waren sie im Rahmen der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 Teil der Präsentation der Fundstücke der Ausgrabungen in den 1870er/80er Jahren. Zudem sind sie hervorragende Beispiele für eine stilsichere bildhauerische Ergänzung der Bildwerke des Gigantenfrieses im klassizistischen Stil, die nur in Fragmenten erhalten sind (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).
Maße
Verwendete Materialien
Sandstein (Materialarchiv) , roter Mainsandstein (Miltenberg)
Technik
Inschriften
Inschriftenplatte (gemeißelt)
Bodenplatte
»1939-1945. den Opfern«
Inschriftenplatte (gemeißelt)
Bodenplatte
»1939-1945/ AUS DEM ZERSTÖRTEN BERLIN/ GEBORGENE ORNAMENTE/ DER WIENER BRÜCKE/ BEIDE AUF DEM FRIEDHOF AUFGE-/ STELLTEN BILDHAUERARBEITEN/ - ENTSTANDEN UM DIE JAHRHUNDERT-/ WENDE - BEHANDELN MOTIVE/ AUS DEM PERGAMON-ALTAR«
Zustand
Vollständigkeit
Wenn Sie einzelne Inhalte von dieser Website verwenden möchten, zitieren Sie bitte wie folgt: Autor*in des Beitrages, Werktitel, URL, Datum des Abrufes.