Mutter mit Kind (der Widerstandskämpferin Liselotte Herrmann 1909-1938 gewidmet)

Mutter mit Kind (der Widerstandskämpferin Liselotte Herrmann 1909-1938 gewidmet)

Foto: Jelena Hessel, 2019, CC-BY-4.0

Weiblicher Akt mit Kleinkind. Die Figurengruppe „Mutter und Kind“ besteht aus einem stehenden weiblichen Akt mit einem Säugling auf dem Arm. Sie ist zusammen mit der Plinthe bewegt modelliert und aus Bronze gegossen, sowie schwarz-grün patiniert. Die Figurengruppe steht auf einem annähern quadratischen, flachen Sockel aus Kunststein, der wiederum auf einer annähernd quadratischen Bodenplatte aus Kunststein steht, die in den Rasen eingelassen ist. Die Mutter steht fest auf beiden Beinen, ihre untere Hälfte ist beinahe symmetrisch. Das Kind in ihren Armen trägt sie mit ihrer rechten Hand, Kopf und Schulter stützt sie mit ihrer linken. Sie schaut über den Kopf des Kindes hinweg, der Gesichtsausdruck ist offen für Interpretationen durch den Betrachter, er lässt sich aufgrund der Modellierung schwer deuten. Das Kind in ihren Armen ist klein, der Körper mit dem Kopf ist ungefähr so lang wie ihr Unterarm. Es sitzt beinahe in ihrer Umarmung, die Hände liegen auf dem Brustkorb der Mutter, der Kopf und Oberkörper sind etwas von der Mutter entfernt, es blickt vom Betrachter aus nach rechts. Der Körperbau der Mutterfigur ist der einer Frau, die erst vor kurzem entbunden hat. Der Bauch weißt die dafür typische Wölbung auf, die noch von dem durch die Schwangerschaft geprägten Hohlkreuz verstärkt wird. Ihre rechte sichtbare Brust ist prall. Auch die restlichen Rundungen der Frau wirken natürlich und nicht, wie so oft bei Akten, geschönt.
Das Zentrum der Aufmerksamkeit liegt bei der Plastik auf dem Brustbereich der Mutter und dem Kind. Durch die Ruhe und schwere der Beine wird die Figur zum einen geerdet, zum anderen gleitet der Blick des Betrachters an ihnen ungestört herauf. Der vom Betrachter aus rechte Oberarm folgt der Silhouette der Mutter, der Unterarm lässt den Blick jedoch in einer Diagonalen zum Kopf des Kindes wandern. Gleitet der Blick von da über die vom Betrachter linke Schulter der Mutter herab, wird er vom fast rechtwinklig stehenden Unterarm wieder zum Kind und über dessen Körper zu seinem Kopf geleitet. Er fängt sich somit zwischen Kind und Mutter. Der nach außen gewandte Blick des Kindes lädt den Betrachter ein, um die Figurengruppe herumzuschreiten. So bietet sie trotz einer sehr geschlossenen Form eine Allansichtigkeit (Jelena Hessel).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Grzimek, SabinaBildhauer_In1975-1981
Fa. Horst BorchardtGießerei
Berlin-Köpenick, Grünauer Straße
Datierungshinweise
1975 Entwurf, 1976-1981 Ausführung, Guss 1981, 1984 Aufstellung
Objektgeschichte
Am 3. Juli 1975 zeichnete Sabina Grzimek einen Entwurf, an den sie in die linke untere Ecke schrieb „Idee für eine Figur“, vermutlich durch die Geburt ihres ersten Kindes inspiriert. Im selben Jahr fertigte sie dazu eine Studie in Bleistift, Tusche, Guache und Deckweiß an. 1976 begann sie die Arbeit an der Plastik, die sie 1981 beendete. Am 3. Dezember 1981 wurde die Plastik von Horst Borchardt in der Grünauer Straße in Köpenick zum Guss abgenommen. Nach dem Guss stand die Plastik zunächst in Grzimeks Sommerwohnung, danach auf einer Wiese südlich des Hauses. 1982 wurde sie im Treptower Park in Berlin bei der Ausstellung „Plastik und Blumen“ gezeigt, 1982/1983 auf der IX. Kunstausstellung der DDR in Dresden. 1983 wurde der Erstguss von der Nationalgalerie erworben. Ob es sich bei der 1984 auf dem Freiaplatz aufgestellten Plastik um diesen Guss im Besitz der Nationalgalerie handelt, oder ob es ein Nachguss ist, ist zurzeit leider noch ungeklärt. Die auf dem Freiaplatz stehende Plastik ist der Freiheitskämpferin Liselotte Herrmann gewidmet. Liselotte Herrmann wurde 1909 in Berlin geboren. 1927 schloss sie sich dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands an, 1931 wurde sie Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Ab 1931 studierte sie Biologie und beteiligte sich sowohl an den Roten Studentengruppen als auch Kursen der Marxistischen Arbeiterschule, 1933 wurde sie der Universität wegen Protesten gegen Adolph Hitler verwiesen. 1934 bekam sie ihren Sohn Walter und zog nach Stuttgart um. Dort war sie im Widerstand tätig und leitete Informationen über die Rüstungsanstrengungen der Nationalsozialisten ins Ausland. 1935 wurde sie von der Gestapo verhaftet und verbrachte 1936-1937 in Untersuchungshaft. 1937 wurde sie zum Tode verurteilt wegen Landesverrats und Vorbereitung zum Hochverrat, um dann am 20. Juni 1938 in Berlin-Plötzensee hingerichtet zu werden. Da ihr Sohn bei ihrer Verhaftung gerade mal zwei Jahre alt war, passt das Bild von „Mutter und Kind“ zu ihr. An der Plastik selbst finden sich jedoch keine Hinweise auf die Widmung. Das könnte daran liegen, dass die Plastik erst 2016 eine neue Plakette im Rahmen des Projektes Frankfurter Allee Nord erhielt. Die Mitglieder des Beirates, die sich dafür einsetzten, waren Evi Pakosta, Dagmar Fritzsche und Prof. Lothar Winter. Bei den Umbauarbeiten des Freiaplatzes im Jahr 2013 wurde die Plastik an ihrer ursprünglichen Stelle belassen (Jelena Hessel).
Maße
FigurHöhe2.16 m
FigurBreite0.52 m
FigurTiefe0.54
PlintheHöhe0.075 m
PlintheBreite0.49 m
PlintheTiefe0.45 m
SockelHöhe0.22 m
SockelBreite0.7 m
SockelTiefe0.805 m
BodenplatteBreite1.26 m
BodenplatteTiefe1.4 m
Verwendete Materialien
FigurBronze
SockelKunststein
BodenplatteKunststein
Technik
gesamtgegossen
Figurpatiniert
Inschriften
Plakette (appliziert)
auf dem Sockel
Mutter mit Kind / Sabine Grzimek, 1984
ZustandZeitpunkt
beschmiert2019
Sockelverfärbt, teilweise2019
Sockelbestoßen2019
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Goder, Ernst: Plastiken, Denkmäler, Brunnen in Berlin: Gesamtverzeichnis, Katalog, Berlin, 1993, S. 28.
  • Klother, Eva-Maria: Denkmalplastik nach 1945 bis 1989 in Ost- und Westberlin, 1998, S. 143-144.
  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 254.
  • Brösicke-Istok, Sylvia: Plastiken, Denkmäler und Brunnen im Bezirk Lichtenberg, Berlin, 1993, S. 20.

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