Die 1960 geschaffene Gedenkstätte besteht aus einer Mauer aus rotem Klinker mit einer Abdeckung aus Waschbetonplatten. In die Steinlagen der Mauer sind in gleichmäßigen Abständen der Reihung in vertikaler Anordnung Mauersteine mit dem schmalen Kopfende so eingelassen, dass sie aus der eigentlichen Mauerschicht plastisch wirksam hervortreten. Die Anzahl der hervorstehenden Steine variiert, so dass ein belebtes Erscheinungsbild entsteht. Die Mauer umschließt zweiseitig einen mit Betonplatten und Mosaikpflaster belegten rechteckigen Platz, in dessen Mitte ein Betonpflanzkübel aufgestellt ist. An dem Teil der Mauer, die sich horizontal vor den dahinter liegenden Sportplatz legt, befindet sich eine bronzene Inschriftentafel angebracht. Die Tafel ist nicht mittig gesetzt, sondern leicht aus der Mittelachse nach Osten verschoben angebracht. Auf Höhe der Unterkante der Tafel sind über diesen Teil der Mauer in horizontaler Anordnung fünf bronzene Kranzhalter in die Mauer eingelassen. Das gerade, vor dem Sportplatz liegende Mauerteil wird nach Westen hin durch einen Mauerteil über L-förmigem Grundriss erweitert. In der dadurch entstandenen Ecksituation sind zum rechteckigen Platz hin zwei Bänke an der Mauer angebracht worden. Die drei schwarz lackierten metallenen Fußstützen jeder Bank stützen die aus grün lackierten Holzplanken bestehenden Sitzflächen dergestalt ab, dass sie in schräger Führung von der Unterkonstruktion der Sitzflächen zur Mauer hin verlaufen und dort direkt vor der Mauer in die Pflasterung des Platzes hinein versenkt sind. Die Stützkonstruktion der Bänke ist ansonsten am Mauerwerk befestigt. Hinter der Mauer sind vier Weiden angepflanzt. Das um 1960 gestaltete Gedenkmal wurde Ende der 1980er Jahre im Zusammenhang mit der Errichtung des Deportationsdenkmals Leventzostraße erheblich erweitert. In den Vorplatz wurde ein Gleisstrang aus zwei parallel geführten Cortenstahlleisten eingelassen. Dieser Gleisstrang verbindet das ältere und das neuere Gedenkmal miteinander, unterstützt durch eine im rückwärtigen Anlagebereich um 1988 angepflanzte lebende Hecke (Hainbuchen), die die Mauer von 1960 mit der neuen Anlage verbindet. Der 1988 fertiggestellte neue Teil der Gedenkstätte besteht aus der monumentalen Plastik eines in abstrahierender Weise formulierten Deportationswagons und einer monumentalen Stele. Auf Gleisen, die parallel zur Levetzowstraße in den Gehweg eingelassen sind, steht ein Waggon aus Gusseisen und CorTen-Stahl. Acht kaum bearbeitete Marmorblöcke im Wageninneren repräsentieren die Deportierten. In die einzelnen Marmorblöcke sind Lettern und Ziffern in Bleiguss eingelegt (Jörg Kuhn, Susanne Kähler, unter Verwendung von Informationen von Brigitte Hausmann).
Standort
Epoche
Bezirk/Ortsteil
Schaffende/
Herbrich, Peter (Bildhauer:in)
1960-1988, Mahnmal von 1985-1988
Wenzel, Jürgen (Architekt:in)
Mahnmal von 1985-1988
Bappert, Theseus (Architekt:in)
Mahnmal von 1985-1988
Unbekannt (Künstler:in)
des Mahnmals von etwa 1960
Datierungshinweise
Erstes Mahnmal um 1960; Zweites Mahnmal: 1985-1988, Einweihung November 1988; Leichte Überarbeitung des Umfeldes 2018
Objektgeschichte
1912-1914 wurde an der Levetzowstraße/Ecke Jagowstraße (heute: Levetzowstraße 7-8 / Jagowstraße 37) nach Plänen von Johannes Hoeniger die Gemeindesynagoge Levetzowstraße (Moabit) errichtet. Sie war eine der größten Synagogen der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Während der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurde das Gotteshaus geplündert und beschädigt. Ab 1941 diente die Synagoge als Sammelstelle der von der Geheimen Staatspolizei aus ihren Wohnungen und anderen Unterkünften, Arbeitsstellen etc. zusammengetriebenen Juden (und andere, nach dem Reichsgesetz von 1935 als Juden geltende Personen). Von dieser Sammelstelle wurden die zur Deportation bestimmten Menschen zu den Deportationsbahnhöfen transportiert. Von diesen Bahnhöfen (Anhalter Bahnhof, Grunewald, Putlitzstraße) geschah die Deportation in Personenwaggons, die zunächst an reguläre Züge (ab Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt) angehängt wurden und in der Mehrzahl dann, bis Ende 1942, in der Formation von Sonderzügen zusammengestellt (ab den Bahnhöfen Grunewald und Putlitzbrücke) wurden. Als Transportwagen dienten also bis etwa Ende 1942 ab Berlin für die Berliner Juden (Juden aus dem „Altreich“) „normale“ Personenwaggons; Viehwaggons wurden erst ab diesem Zeitpunkt eingesetzt. Nach der Beseitigung der nationalsozialistischen Regierung erhielt die nunmehr sehr kleine Jüdische Gemeinde das Grundstück mit der beschädigten Synagoge zurück übertragen. Die durch systematische Ausplünderung zwischen 1933 und 1945 kaum autarke Jüdische Gemeinde sah sich außerstande, das große Gebäude aus eigenen Mitteln wiederaufzubauen und zu erhalten. Gezwungenermaßen veräußerte sie das Grundstück 1955/56 an das Land Berlin. Das Land Berlin ließ die Synagoge mit dem vollständig erhaltenen Säulenportikus abbrechen und nutzte das Gelände zur Anlage eines Sportplatzes und eines Kinderspielplatzes. Um 1956 begannen vermutlich die Planungen zu einem Gedenkmal für die Synagoge durch den (West-)Berliner Senat. Um 1960 wurde das Gedenkmal fertiggestellt. Die kleine Gedenkstätte erschien in den 1980er Jahren nicht mehr ausreichend. „Die Bezirksverordnetenversammlung Tiergarten (...) beschloss auf Antrag der Alternativen Liste Anfang der achtziger Jahre die Errichtung des Denkmals. 1985 lobte das Land Berlin, vertreten durch den Senator für Bau- und Wohnungswesen, in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Tiergarten einen engeren Wettbewerb unter zehn Künstlern bzw. Teams aus (...). Die Entscheidung für Wenzel, Herbrich, Bappert fiel erst (...) nach kontroversen Diskussionen“ (Hausmann, 1997, S. 277). Die Realisierung erfolgte mit Mitteln aus dem Kulturförderprogramm „Kunst im Stadtraum“. Die Übergabe des fertiggestellten Denkmals fand im November 1988 statt. 2010 ließ der Bezirk den auf dem Gelände der beseitigten Synagoge die den Sport- und den Spielplatz umgestalten und zwar in einer dem Mahnmal unzuträglichen Art und Weise, etwa mit einer leuchtend gelben (!) Kletterwand direkt hinter der großen Inschriftenstele. Die Schöpfer des Mahnmals konnten nach jahrelangem Ringen den Bezirk zu einer bescheidenen Überarbeitung der Neugestaltung bewegen, die 2018 begann (Jörg Kuhn, Susanne Kähler).
Verwendete Materialien
Inschriften
Tafel (gegossen, appliziert)
an der Mauer
»AN DIESER STÄTTE STAND EINE SYNAGOGE / SIE WURDE IN DER SCHRECKENSNACHT DES / 9. NOVEMBER 1938 ZERSTÖRT / VON HIER AUS MUSSTEN IN DEN JAHREN DES / NATIONALSOZIALISMUS VIELE UNSERER JÜDISCHEN MITBÜRGER IHREN LETZTEN WEG / ANTRETEN. IHR ANDENKEN IST UNVERGESSEN.«
Bezeichnung (Metallguss, eingelassen)
am Marmorblock, westliche Seite
»MITARBEITER / PARODI u.A. / MÄRZ-OKT. 88 / P.H.«
Inschrift (gegossen, zwei Platten nebeneinander)
auf der Bodenplatte
»AUF DIESEM GRUNDSTÜCK STAND EINE / DER GRÖSSTEN SYNAGOGEN BERLINS. / 1941 WURDE DIE JÜDISCHE GEMEINDE / ZU BERLIN VON DER GEHEIMEN STAATS- / POLIZEI GEZWUNGEN, DAS GEBÄUDE / ALS SAMMELLAGER EINZURICHTEN. VON / HIER AUS WURDEN MEHR ALS 37500 / BERLINER JUDEN ÜBER DIE BAHNHÖFE / GRUNEWALD UND PUTLITZSTRASSE IN / DIE AUFGEFÜHRTEN VERNICHTUNGS- / LAGER DEPONIERT. WEITERHIN WURDEN / VOM ZWEITEN GROSSEN SAMMELLA / GER BERLINS, DEM EHEMALIGEN JÜDI- / SCHEN ALTERSHEIM IN DER GROSSEN / HAMBURGER STRASSE VOM 6.6.1942 / BIS ZUM 27.3.1945 IN 117 TRANSPOR- / TEN ÜBER DEN ANHALTER BAHNHOF / 14797 JUDEN IN DAS KONZENTRATIONS- / LAGER THERESIENSTADT DEPORTIERT. / IN DER PROGROMNACHT VOM 9. NOVEMBER / 1938 WURDEN DIE JÜDISCHEN GOTTES- / HÄUSER BERLINS VON DEN NATIONAL- / SOZIALISTEN BESCHÄDIGT, VERBRANNT, / ZERSTÖRT. ALS SYMBOLE EINER REICH- /HALTIGEN JÜDISCHEN KULTURTRADI- / TION IN PREUSSEN WAREN SIE DIE / BEDEUTENDSTEN ZIELE DES EINSET- / ZENDEN STAATLICH ORGANISIERTEN / TERRORS. / NEBEN DEN DARGESTELLTEN GEMEINDE- / UND VEREINSSYNAGOGEN GAB ES IN / BERLIN ÜBER 80 PRIVATE JÜDISCHE / BETHÄUSER ODER BETSÄLE IN SOZIA- / LEN EINRICHTUNGEN. AUCH SIE WURDEN / IN DER NACHT VOM 9. NOVEMBER 1938 / ZIEL DER VERWÜSTUNGEN ODER SIND / KURZE ZEIT SPÄTER GESCHLOSSEN, / VERKAUFT ODER ENTEIGNET WORDEN.«
Zustand
Vollständigkeit
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