Trullidorf

Trullidorf

Foto: Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz, 2020, CC-BY-4.0

Das Trullidorf ist südöstlich des Schulgebäudes innerhalb eines gartenähnlichen Außengeländes angelegt.Sieben Trulli, kleine weiß verputzte Rundhäuser nach apulischem Vorbild, sind zu einer kleinen „Dorfanlage“ gruppiert. Die gesamte Anlage, zu der auch ein „Dorfplatz“ mit zentralem Baum und umlaufender Holzbank gehört, ist mit Kieseln, Feldsteinen und Steinpflaster, kleine Bereiche auch mit Mosaiken, ausgelegt. Den Hintergrund und südlichen Abschluss bilden drei große halbkreisförmige Mosaiksteinbänke. Zwei der Häuser sind im Sockelbereich miteinander verbunden, sie bilden ein Doppeltrullo. Die Dächer sind unterschiedlich geschwungen, jedes hat einem individuellen Schlussstein in Form eines modellierten Kopfes. Alle Trulli sind mit einer eigens gestalteten steinernen Türeinfassung ausgestattet, die Stürze als Sopraporte in Dreiecks- oder Bogenform ausgebildet, deren Motive Tiere, Menschen, Lebewesen, geometrische oder florale Ornamente sind. Die Türen selbst sind mit getriebenen Kupferplatten belegt, welche Namen der Mitwirkenden oder Tiermotive tragen.
Die Trulli bestehen überwiegend aus wiederverwerteten Baumaterialien. So wurden Dach- und Mauerziegel aus Abbruch, Altmetall, Altglas verarbeitet. Meist ist nur eines der Fenster aus Klarglas. Die übrigen sind aus Glasbeton hergestellt, der aus farbigen Glasbrocken und Flaschen eigens geschaffen wurde. Außen sind aus gemischtem Altmetall geschmiedete, dunkel patinierte Fenstergitter vorgesetzt. In gleicher Art wurden auch die Außenleuchten des „Dorfes“ mit Metallarbeiten schützend umhüllt. Im Inneren sind die kleinen Rundhäuser mit Kieseln ausgelegt, die Wände friesartig bemalt. Sie dienten als Kommunikationsorte. Jede der sieben Stationen erhielt ihr eigenes Haus. Ihre Höhlenform kam dem Bedürfnis der Kinder und Jugendlichen nach Geborgenheit und menschlicher Nähe innerhalb der Gruppe entgegen. Möbel wurden gemeinsam mit Therapeuten der Klinik geschaffen. In den Putz eines Trullo ist, unter einem Hasen, die Jahreszahl 1983 eingeschrieben (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Hertel, Arnold UlrichKünstler_In1981-1986
mit 140 Kindern aus den 7 Stationen der Wiesengrundklinik
Datierungshinweise
Einweihung Trulli-Dorf: 14.Mai 1986
Objektgeschichte
Der Ursprungsbau auf dem heutigen Gemeinschafts-Schulgelände – die heutige Carl-Bosch-Schule – entstand 1926-1927 als Kinderheim für den St. Dominikus-Stift auf dem hinteren, dem östlichen Teil des Grundstücks. Bis 1932 wurde dieses Gebäude als Kinderkrankenhaus und von 1938-1953 als städtisches Kinderheim „Waldblick“ genutzt, bevor es 1954 für die Kinderklinik „Wiesengrund“ umgebaut wurde. Die heutige Wiesengrund-Schule, auf dem westlichen Grundstücksteil nahe der Straße, entstand 1983-85 als Erweiterungsbau für die Klinik. Ende Dezember 2009 wurde die Klinik – inzwischen „Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Vivantes Humboldt-Klinikum / Frohnauer Straße (Wiesengrund)“ – geschlossen. 2016-2018 baute das Bezirksamt das frühere Klinikgebäude zu der heute bestehenden Integrierten Sekundarschule mit Carl-Bosch-Schule und Wiesen-Grundschule aus. Zu Beginn der 1980er Jahre gelang mit dem Trullidorf in der damaligen „Psychiatrischen Kinderklinik »Wiesengrund« [...] ein aus Kunst-am-Bau-Mitteln finanziertes Experiment zum Thema »Kunst als Therapie«. Nach intensiver Vorbereitung der Wettbewerbsaufgabe mit Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern“ (Endlich, in: Neptuns Reich an der Spree [...], 1986, S.15) wurde 1980/1981 ein bundesoffener Ideenwettbewerb Kunst am Bau für die Klinik Wiesengrund vom Berliner Senat ausgeschrieben. Die Teilnehmer*innen mussten besondere Qualifikationen nachweisen, u.a. therapeutische bzw. pädagogische Ausbildung oder Erfahrung, Freude im Umgang mit Kindern, Fähigkeit zu kontinuierlicher Beziehung mit ihnen und dem therapeutischen Personal der Klinik. Ein künstlerischer und zugleich therapeutischer Prozess sollte stattfinden. Der Zugang zum Werk sollte möglichst nicht nur optisch, sondern auch haptisch, akustisch und motorisch sein. Im März 1981, gewann der Braunschweiger Bildhauer Arnold Ulrich Hertel den Wettbewerb gegenüber 25 Teilnehmer*innen, mit seinem Konzept, das den Patient*innen die Reintegration in die Gesellschaft erleichtern wollte und „in welchem die Beteiligung der jungen Patienten und die damit verbundenen kommunikativen und therapeutischen Prozesse ebenso wichtig [waren ...] wie das fertige Ergebnis.“ (Ebd.). Der Künstler hatte für den Wettbewerb 12 Projekte eingereicht. Zur Realisierung ausgewählt wurden zunächst die Trulli und die Brunnenanlage „Volkssängerbrunnen". Bei der Erstellung der Trulli, dem Kernstück der Gemeinschaftsarbeit, waren die Patient*innen in fast alle Arbeitsschritte eingebunden: Die Abbruchsteine für die Mauern der Trulli und die Dachplatten wurden gesäubert und sortiert, auch verfugen und vermörteln durften die Kinder und Jugendliche, Betonglas-Fenster wurden aus Flaschen und Dickglas hergestellt und in einer eigens eingerichteten Schlosserwerkstatt stellten die jungen Patient*innen Fensterornamente und Schutzschirme für die Trullidorfleuchten aus Schrottteilen und Altmetall her. Für die Sitzgruppe im Trullidorf und den Volkssänger-Brunnen wurden etwa 400 Mosaikbilder gelegt. Auch die Kinder und Jugendlichen der „geschlossenen Abteilung“ waren in das Projekt integriert. Sie modellierten unter Hertels Leitung aus Ton die 7 Köpfe als Abschlusssteine für die Spielhäuser und die Wasserspeier für den Volksängerbrunnen. Die Kupferbilder für die Trullitüren wurden ebenfalls von ihnen gefertigt. In mehrjähriger prozesshafter Zusammenarbeit entstanden ab Ende 1981 unter Hertels Leitung neben dem Trullidorf im Klinikhof auch weitere seiner Projekte, allen voran der „Volkssängerbrunnen“, später auch der Tiergartenbrunnen mit (wieder) sieben Tieren. Nach Ablauf seines ersten Vertrages legte Arnold Ulrich Hertel der Klinikleitung regelmäßig neue Kunst-am-Bau- Konzepte im Modell und mit Kostenangebot vor, die er zuvor in Absprache mit dem Chefarzt als Großprojekte entwickelt hatte. Später wurden diese dann in enger Zusammenarbeit mit Therapeut*innen und Assistent*innen realisiert. Das Folgeprojekt – nach Fertigstellung von Trullidorf und Volkssängerbrunnen – umfasste die Erweiterung des Brunnens durch überlebensgroße Figuren und eine Figurengruppe für die Sportanlage. Als Arnold Ulrich Hertel im März 1981 den Kunst am Bau Wettbewerb gewann, war das Projekt trotz intensiver Vorarbeit und Abstimmungen mit dem Klinikpersonal ein gewagtes Unternehmen, das als Pilotprojekt gelten kann, da bis dahin keine vergleichbaren Konzeptarbeiten als Therapie mit drogenabhängigen und depressiven Jugendlichen in der deutschen Kinderpsychiatrie praktiziert worden waren. Das Experiment verlief erfolgreich. Der übliche Rahmen von Kunst am Bau Projekten wurde erheblich erweitert. Das ursprüngliche Konzept mit möglichst vielen Kindern zusammenzuarbeiten wurde durchgesetzt. Die „jungen Mitarbeiter“ (vgl. Ullmann, in: 48. Berliner Kunstblatt, 1985, S.34-38) wurden zur kreativen Selbstgestaltung angeregt, sie wurden geleitet, betreut und unterstützt. Die Autonomie der Patient*innen konnte gestärkt werden, nicht zuletzt auch durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Klinikleitung und Bildhauer der zur „zentralen Vaterfigur“ (ebd., S.35) wurde.Und „...bei aller spontanen Niederschrift hat es A. Hertel verstanden, in seiner kräftig-dekorativen Sprache die vielen Einzelbeiträge zusammenzufassen, sie in eine Gesamtgestaltung einzubinden.“ (ebd., S.36) (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).
Maße
HausDurchmesser
je Haus
3.5 m
Verwendete Materialien
Ziegel, Alt-Ziegel
Mörtel
Putz
Keramik
Mosaik, Fliesen-Mosaiksteine
Gips
Beton
Glas, Altglas
Metall, Altmetall
Kupferblech
Kiesel
Farbe
Technik
gemauert
mosaiziert
bemalt
gegossen
ZustandZeitpunkt
Anlageungepflegt, lange Zeit ungenutzt2020
Dächerbemoost2020
Putzabgeblättert2020
Mauerwerkbiogener Bewuchs2020
beschmiert2020

  Nachweise

  • Messer, Elke: Neptuns Reich an der Spree: Berliner Brunnen von Begas bis Bonk, Berlin, 1986, S. 13-20.
  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 81 f..
  • Hertel, Arnold Ulrich: Kunst am Bau und Therapie in der Klinik Wiesengrund des Humboldt-Krankenhauses in Berlin, 1994, S. 59-64.
  • Machinek, Uwe: Trulli in Berlin. Kunst am Bauprojekt mit Kindern und Jugendlichen in der Klinik Wiesengrund. Humboldt-Krankenhaus, Berlin, 1989.
  • Schlickeiser, Klaus: Entdecken Sie Reinickendorf. Spaziergänge in Hermsdorf, Berlin, 2005, S. 96.
  • Ullmann, Gerhard: Ein Trullidorf in Berlin . Kunst als Therapie in der Kinderklinik „Wiesengrund“, Berlin, 1985, S. 34-38.
  • Berlin und seine Bauten, Teil VII, Bd. A Krankenhäuser, Berlin, 1997, S. 219.
  • Denkschrift zum 100jährigen Bestehen der Klinik Wiesengrund, Berlin, 1982, S. 137 ff. .

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