Sonne

Sonne

Regenbogen, Das große Auge
Foto: Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz, 2020, CC-BY-4.0

Die Turmspitze des zehngeschossigen Treppenhauses des Finanzamtes Reinickendorf markiert ein über fünf Meter breites farbiges Keramikrelief von Susanne Riée. Das abstrakte Farbbild schmückt den halbrunden Treppenturm, der am Giebel des schmalen langgestreckten Gebäudeflügels den Stadtraum am Eichborndamm dominiert. Das bandartige Relief besteht aus hochrechteckigen farbig glasierten Keramikplatten, die unterschiedlich breite Farbbögen abbilden. So entsteht das Bild eines großen in Spektralfarben aufgelösten Farbbogens, der vielfältige Assoziationen zulässt: eine auf- oder untergehende Son- ne, ein Regenbogen oder ein großes Auge. Den Farbbogen bestimmt ein breites blaues Band – die Lieblingsfarbe der Künstlerin – umgeben von roten, gelben und orangenen Farbstreifen. Jeweils zwei gelbe Plattenreihen fassen das Reliefbild oben und unten ein (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Riée, SusanneKünstler_In1974
Objektgeschichte
Das Keramikrelief entstand als Kunst-am-Bau-Beitrag für den Neubau des Finanzamtes Reinickendorf, der 1974 nach einem Entwurf des Baudirektors Rainer G. Rümmler fertiggestellt wurde. Die Auftragsarbeit ging an die Berliner Bildhauerin Susanne Riée. Sie ließ Brand und Glasur der farbigen Keramikplatten in den Niederlanden herstellen, in der Werkstatt struktuur 68 in Den Haag. Nach einem Werkverzeichnis soll 1978 noch ein weiteres „Rundes Relief am Turm“ von Susanne Riée angebracht worden sein. Das Finanzamt Reinickendorf besitzt mehrere Treppentürme. Im äußeren Bereich ist kein weiteres Relief auffindbar. Das Innere der Treppenanlagen konnte aufgrund der Corona- Einschränkungen nicht besichtigt werden (vgl. Ausstellungskatalog Susanne Riée Spurenlesen, 1997, S. 29). Die von Susanne Riée geschaffene Außenkeramik schmückt an einer das Stadtbild prägenden Stelle den großvolumigen Verwaltungsbau. Ein weithin sichtbares, heiteres, farbiges Leuchtzeichen am optisch frei stehenden, dekorativen Treppenturm. Im Zusammenspiel mit der spätmodernen Architektur des von Rainer G. Rümmler entworfenen Gebäudes harmonisiert Riées Keramikbeitrag stimmig. Baudirektor „Rümmler leitete von 1964-1994 die Entwurfsabteilung der Berliner Senatsbauverwaltung und entwarf in dieser Funktion u.a. über 50 U-Bahnhöfe, mehrere Feuerwachen, Polizeistationen und Verwaltungsgebäude, wobei er immer eine vom Zeitgeist durchdrungene, modische Architektur mit hohem Wiedererkennungswert schuf. Das Finanzamt Reinickendorf zählt zu seinen vom Volumen her größten Bauten und bildet an einer weitläufigen Hauptverkehrskreuzung den unübersehbaren, baulichen Auftakt des Nordberliner Verwaltungszentrums.“ (Buttlar/Witt- mann-Englert/Dolff-Bonekämper, 2013, S. 61). Susanne Riées Relief für das Reinickendorfer Finanzamt fällt in die Zeit ihres Kunstschaffens, als sie von 1964 und 1981 in dichter Folge zahlreiche Auftragsarbeiten für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum schuf, davon sind allein 20 Werke in Berlin bekannt. Alle diese Arbeiten produzierte Riée in Keramik, die sie ab 1968 in der Werkstatt struktuur 68 in Den Haag anfertigen ließ (vgl. Ausstellungspublikation Susanne Riée, 2015, S. 127). Mit ihrer großformatigen Baukeramik erlangte sie populäre Anerkennung und nahm innerhalb des West-Berliner Kunstschaffens eine Pionierstellung ein. Ihre keramischen Werke sind authentische „Zeitzeugen für die Kunstentwicklung nach 1945.“ (Ebd., S. 13). Im Gegensatz zu ihrer Malerei verwandte sie für ihre Keramik leuchtende Signalfarben, „um Aufmerksamkeit zu wecken und Orientierung zu schaffen in einer anonymen Umwelt.“ (Ausstellungskatalog Susanne Riée Spurenlesen, 1997, S.10). Motive schöpfte sie – wie für den „Regenbogen“ am Finanzamt – aus dem Farbspektrums des Lichts und des Kosmos. Stilistische Vorbilder fand sie im Expressionismus und bei den Bauhaus-Meistern, wie bei der Farbenlehre von Johannes Itten (Jürgen Tomisch, Barbara Anna Lutz).
Maße
Höhe1.2 m
Breite5.25 m
Verwendete Materialien
Keramik
Technik
gebrannt
bemalt
ZustandZeitpunkt
gut, relativ2020
verschmutzt2020
ausgebessert, Fugen2020
Vollständigkeit
vollständig

  Nachweise

  • Ehmann, Horst: Berlin: Kunst im Stadtraum, Berlin, 1988, S. 78.
  • Ehmann, Horst: Berlin: Kunst im Stadtraum, Begleitheft, Berlin, 1988, S. 25.
  • Kögel, Eduard: Es ist Kunst und kann nicht weg. Eine Ausstellung zum Lebenswerk der Künstlerin Susanne Riée., 2015, S. 4.
  • Pfeiffer-Kloss, Verena: Der Himmel unter West-Berlin. Die post-sachlichen U-Bahnhöfe des Baudirektors Rainer G. Rümmler, Berlin, 2019, S. 56f., 361.
  • Susanne Riée Spurenlesen. Maöereo, Collagen, keramische Objekte. Katalog anlässlich der Ausstellung 7. Mai bis 18. August 1997 in der Domäne Dahlem., Berlin, 1997, S. 9, 10, 29f..
  • Susanne Riée: Bildhauerin, Keramikerin. Der Weg in die künstlerische Autonomie. Publikation anlässlich der Ausstellungstrilogie Künstlerinnen um Alexander und Renata Camaro, Teil II, 2015, S. 12, 127.

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