Lessingdenkmal

Lessingdenkmal

Lessing-Brunnen
Foto: Susanne Kähler, 2003, CC-BY-4.0

Das überlebensgroße Standbild Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781) zeigt den Dichter im historischen Gewand auf quadratischer Plinthe stehend. Der mit der gepuderten, und an den Seiten zu Seitenrollen gelegtem Haar im Sinne des 18. Jahrhunderts formulierte Porträtkopf ist leicht zur Seite gewendet. Der rechte Arm ist angewinkelt, die rechte Hand mit dem Handrücken in Hüfthöhe in die Seite gestützt, der linke Arm ist einlang des Körpers nach unten und leicht nach vorne geführt, die linke Hand hält ein Buch, in dessen Seiten sich die Finger legen. Die Beinstellung ist ponderiert, das rechte Bein vorgestellt. Materialbedingt ist dem Standbild eine Stütze beigegeben, die durch den aus dickem Stoff gefertigten Mantel weitgehend bedeckt wird. Der Mantel hängt teilweise über den Plinthenrand in den Sockelbereich hinab. Die Plinthe des Standbildes ruht auf der obersten Deckplatte des Sockels. Der Sockel ist aus rötlichem Granit gearbeitet. Ein vorkragendes polygonales, vierseitig eingezogenes Profilsims mit abgeschrägten Ecken leitet zum Mittelteil des Figurensockels über. Kräftige Voluten begrenzen die abgeschrägten Ecken des sich nach oben hin verjüngenden Mittelsockels. Dieses Postament ruht auf einem dreiteiligen Unterbau, dem an den Seiten je ein gerundetes Wasserbecken vorgelegt ist. Die Wasserbecken ruhen auf Stützen mit stilisierter Wasserdarstellung. Der genannte Sockelaufbau wird durch einen mehrstufigen polygonalen Unterbau getragen. Die drei untersten Stufen sind aus grauem Granit, die beiden folgenden aus dem rötlichen Granit des Sockels gearbeitet. Der Mittelsockel zeigt an der Front eine applizierte asymmetrische Inschriftenkartusche mit reich ornamentierter Rahmung im Sinne des (neu-)Rokokos. Unterhalb der Kartusche ist eine vollplastische Bronzefigur dem Sockel vorgelegt. Dargestellt ist der mit angezogenem rechten Bein und vorgestrecktem linken Bein über einem Gewandstück in halb sitzender, halb aufgestützt lagernder Stellung gegebene „Genius der Humanität“. Die in idealer Gestalt formulierte Jünglingsfigur ist geflügelt und weitgehend unbekleidet. Der Kopf ist in den Nacken gelegt, der nach oben gerichtete Blick ist dem Dichter zugewendet. In der erhobenen Rechten hält der Genius eine flammende Opferschale als Symbol der Erhellung durch die Aufklärung. Hinter dem rechten Oberschenkel liegt eine kleine Harfe (Leier), Symbol der Dichtkunst, beziehungsweise in der zeitgebundenen Formulierung als Hinweis auf den „Sänger der Wahrheit“. In der linken Hand hält der Genius über das fellartige Gewandstück, welches seine Scham bedeckt, einen Lorbeerzweig. Der angewinkelte linke Arm, mit dessen Ellenbogen sich der Genius abstützt, ruht auf einer leicht schräg gestellten hochrechteckigen Inschriftentafel. Die vielzeilige Inschrift in Fraktur enthält das „Evangelium religiöser Duldsamkeit“ (H. Müller-Bohn, 1905, S. 39). Links des Genius liegt ein Lorbeerkranz zu seinen Füßen. Die rechte Seite des Sockelmittelteils zeigt oberhalb des Wasserbeckens einen Wasserspeier in Form eines grotesk formulierten Delphinkopf. Darüber in der analog zur Frontkartusche gerahmten Kartusche das ins Profil gewendete Porträt des Schriftstellers, Philosophen und Unternehmers Moses Mendelssohn (1729-1786). Die linke Seite zeigt über der analog gestalteten Wasserspeiermaske in analoger Rahmung das Reliefporträt des Dichters und Offiziers Ewald von Kleist (1715-1759). In analoger Rahmung ist auf der Rückseite des Sockelmittelteils das Reliefporträt des Verlegers Christian Friedrich Nicolai (1733-1811) zu finden. Mendelssohn, v. Kleist und Nicolai stehen hier für die Freunde und Mitstreiter Lessings, insbesondere für seine intellektuellen und menschlichen Kontakte in Berlin. Unter dem asymmetrisch gerahmten Profilporträtrelief Nicolais ist dem Sockel in Entsprechung zum frontseitigen „Genius der Humanität“ eine bronzene Figurengruppe vorgelegt, deren Hauptfigur die ebenfalls jünglingshafte „Allegorie der Kritik“ bildet. Der weitgehend unbekleidete, geflügelte Knabe sitzt auf einem Löwenfell, in dessen Mähne seine linke Hand greift. Mit der rechten Hand schwingt die Figur eine Geißel, Attribut des Kritikers, der mit Spott und Satire die Dummheit und die Verstockheit der Aufklärungsgegner „geißelt“. Rechts der Allegorie stapeln sich Pergamentrollen und dickleibige Folianten, auf denen eine Eule sitzt, Symboltier der Athena und Verweis auf Wissenschaft, Weisheit und Klugheit. Die in der vorliegenden Gestaltung eher an einen Uhu erinnernde Eule gehört zu den nachtaktiven Tieren. So steht auch sie, wie die flammende Opferschale der Frontfigur für das aufklärerische Durchdringen der geistigen und moralischen Dunkelheit. Die „Allegorie der Kritik“ bezieht sich inhaltlich insbesondere auf Lessings Wirken als Bühnenautor (Hamburgische Dramaturgie). Die Bronzeteile des Denkmals sind dunkelgrünschwarz patiniert.
Auf der untersten Stufe des polygonalen Standsockels befand sich ursprünglich ein ausnehmend aufwändig gestaltetes schmiedeeisernes Gitter in den üppigen Formen des Neurokokos. Das Gitter, in dessen Frontkartusche ein L eingearbeitet war und dessen Hauptpfosten als weiteren Hinweis auf die Ringparabel vergoldete Ringe zeigten, ist nicht erhalten. (Jörg Kuhn)

  Werkdaten

SchaffendeDatierung
Lessing, OttoKünstler_In1887-1890
Rettig, WilhelmArchitekt_In
Geitner, HermannGartenarchitekt_In
der Platzgestaltung 1890
Starcke, DietrichBildhauer_In der Kopie
der Wasserspeier, der Reliefs
Starcke, HansBildhauer_In der Kopie
der Wasserspeier, der Reliefs
Bauch, HermannSteinmetz_In
des Standbildes
Paul Marcus (Firma)Kunstschmiede
des verlorenen Gitters von 1890
H. Gladenbeck & Sohn (Bildgießerei)Gießerei
Fa. M. L. SchleicherSteinmetz_In
Sockelausführung
Bildgießerei Kraas (Berlin, West)Gießerei
Neuguss der Wasserspeier und der Reliefs 1990/1992
Datierungshinweise
Einweihung: 14.10.1890; Gitter moderne Adaption des Verlorenen
Objektgeschichte
Um 1860/1861 wurde beschlossen, den drei "Geistesheroen" Schiller, Goethe und Lessing ein Denkmal zu setzen. Vorgesehen war ein Dreifigurenensemble. Nach der Realisierung des Schillerdenkmals auf dem Gendarmenmarkt in den Jahren 1868/1871 und der Enthüllung des Goethedenkmals im Tiergarten im Jahre 1880 vergingen noch weitere zehn Jahre bis zur Errichtung des Lessingdenkmals. Erst nachdem ein Komitee unter der Leitung von Carl Robert Lessing 1886 zu einem Wettbewerb aufrief, an dem sich 27 Bildhauer beteiligten, konnte der Wunsch nach dem Denkmal verwirklicht werden. Die Wahl fiel auf den Dichternachfahren Otto Lessing, der jedoch mit seinem zu schlichten Entwurf des Sockels wenig Zustimmung fand und ihn noch einmal überarbeiten musste. Lessing veränderte den Sockelschmuck entsprechend den Anweisungen und fügte noch die beiden Brunnenbecken hinzu. Nun erhielt er den Auftrag zur Ausführung. Die Einweihung fand am 14. Oktober 1890 mit einer Einweihungsrede durch den damals anerkannten Literaturhistoriker Erich Schmidt statt. Das überlebensgroße Standbild Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781) zeigt den Dichter im historischen Gewand auf quadratischer Plinthe stehend. Diese ruht auf der obersten Deckplatte des Sockels. Der Sockel ist aus rötlichem Granit gearbeitet. Unterhalb der Kartusche der Vorderseite hält eine vollplastische geflügelte Jünglingsfigur (Genius der Humanität) aus Bronze eine flammende Opferschale als Symbol der Erhellung. Sein linker Arm stützt sich auf eine weitere Tafel, die zentrale Sätze aus der "Ringparabel" aus Lessings "Nathan der Weise" enthält. Auf dem Sockel sind weiterhin das ins Profil gewandte Portrait des Schriftstellers und Philosophen Moses Mendelssohn (1729-1786), das Reliefportrait des Dichters Ewald von Kleist (1715-1759) und das Reliefportrait des Verlegers Christian Friedrich Nicolai (1733-1811) zu finden. Mendelssohn, v. Kleist und Nicolai stehen hier für die Freunde und Mitstreiter Lessings, insbesondere für seine intellektuellen und menschlichen Kontakte in Berlin. Der Entwurf und die Modelle zum Standbild und der Sockelbronzen stammen von Otto Lessing, den Sockel selbst entwarf der Architekt und Baudirektor Wilhelm Rettig nach Vorgaben des Denkmalkomitees und den Skizzen Otto Lessings. Das drei Meter hohe Standbild wurde nach Lessings Modell von dem Bildhauer Hermann Bauch in weißem Laaser Marmor ausgeführt und von Lessing überarbeitet. Die Bronzen wurden nach Lessings Modellen von der Berliner Bildguss AG vormals H. Gladenbeck gefertigt. Die verloren gegangenen Bronzen (Portraitreliefs samt Kartuschen, Inschriftenkartusche, Wasserspeier) wurden für die 1990/1992 durchgeführte Restaurierung von den Berliner Bildhauern Dietrich und Hans Starcke nachgeschaffen und von der Berliner Bildgießerei Kraas gegossen. Das Lessingdenkmal wurde in den vielen Jahren seines Bestehens mehrfach Opfer von Diebstahl und Vandalismus: 1923 erfolgte der Diebstahl und eine nachfolgende Ergänzung des Schweifes vom Löwenfell der rückseitigen Bronzegruppe. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Schmuckgitter, die Schmuckblumenkübel und die Bänke abgeräumt und vermutlich eingeschmolzen. Nach 1945 erfolgte der Diebstahl der Portraitreliefs und der Wasserspeier. Wegen zunehmender Vandalismusschäden nach 1961 (das Denkmal befand sich unmittelbar an der Berliner Mauer und nach Erwerb des Lenné-Dreiecks durch Westberlin besonders ungeschützt auf einer Art "Niemandsland") wurden die beschädigten Bronzeteile abgebaut und deponiert. Die Sanierung und Ergänzung des Denkmals und die Wiederherstellung der historischen Platzgestaltung erfolgte in den Jahren 1987-1992. Nach 1992 wurden jedoch die neu geschaffenen Wasserspeier gestohlen, ebenso die Geißel des Genius teilweise abgebrochen und verschleppt. Die Bronzefiguren und das Marmorstandbild wurden wiederholt mit Farbe beschmiert. Das schmiedeeiserne Umfassungsgitter wurde mit Mitteln der Hinckeldey-Stiftung in einer vereinfachenden Adaption des verlorenen Gitters nachgeschaffen. Siehe auch zum Lessingsdenkmal: Dr. Jörg Kuhn und Dr. Susanne Kähler: Erfassung / Inventarisation der plastischen Denkmäler, Brunnen und anderer Werke der bildenden Kunst im öffentlichen Raum im Ortsteil Tiergarten des Bezirks Mitte von Berlin, Teil I: Großer Tiergarten mit Park von Schloss Bellevue, erstellt im Auftrag des LDA Berlin, Referat für Gartendenkmalpflege, Berlin 2003, Objekt-Nr. 41 (Jörg Kuhn).
Maße
StandbildHöhe3 m
SockelHöhe4 m
Verwendete Materialien
StandbildMarmor
SockelGranit
SockelfigurenBronze
TafelnBronze
GitterSchmiedeeisen
Technik
Standbildbehauen
gemeißelt
poliert
Sockelfigurengegossen
Tafelngegossen
Sockelgemauert
montiert
behauen
Gittergeschmiedet
Inschriften
Inschrift (gegossen)
Bronzekartusche am Sockel
GOTTHOLD / EPHRAIM / LESSING
Inschrift (gegossen)
Tafel der Allegorie am Sockel vorne
„Wohlan! / Es eif’re jeder seiner unbestochnen, von Vorurteilen freien Liebe nach! / Es strebe von Euch jeder um die Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag / Zu legen! Komme dieser Kraft mit Sanftmuth, mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohlthun, / Mit innigster Ergebenheit an Gott zu Hilf’! Und wenn sich dann der Steine Kräfte / Bei Euren Kindes-Kindeskindern äußern, so lad’ ich über tausend, tausend Jahre / Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird ein weis’rer Mann auf diesem Stuhle sitzen / Als ich und sprechen!
ZustandZeitpunkt
gesamtbefriedigend2003
Vollständigkeit
unvollständigursprüngliches Gitter verloren, Wasserspeier verloren

  Nachweise

  • Endlich, Stefanie: Skulpturen und Denkmäler in Berlin, Berlin, 1990, S. 180-181.
  • Müller-Bohn, Hermann: Die Denkmäler Berlins in Wort und Bild, Berlin, 1905, S. 40-42.
  • Wirth, Irmgard: Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Bezirk Tiergarten, Berlin, 1955, S. 209-210.
  • Bloch, Peter: Die Berliner Bildhauerschule im neunzehnten Jahrhundert : das klassische Berlin, Berlin, 1994, S. 258-259.
  • Ingwersen, Erhard: Standbilder in Berlin, Berlin, 1967, S. 81. Tafel 22
  • Selbmann, Rolf: Dichterdenkmäler in Deutschland : Literaturgeschichte in Erz u. Stein, Stuttgart, 1988, S. 122-123.
  • Bloch, Peter: Ethos und Pathos: die Berliner Bildhauerschule 1786-1914, Berlin, 1990, S. Bd. I, 172-173.
  • Wendland, Folkwin: Der Große Tiergarten in Berlin, Berlin, 1993, S. 9, 209, 216-217, 269, 277. falsche Bildunterschrift
  • Reclams Kunstführer Berlin, Stuttgart, 1991, S. 201-202.
  • Kuhn, Jörg: Otto Lessing (1846 - 1912) : Bildhauer, Kunstgewerbler, Maler ; Leben und Werk eines Bildhauers des Späthistorismus, unter besonderer Berücksichtigung seiner Tätigkeit als Bauplastiker, Berlin, 1994. Kat.-Nr. 129 mit Abb. 154, Kat.-Nr. 130 mit Abb. 155, Kat.-Nr. 131
  • Daun, Berthold: Siemering, Leipzig, 1906, S. 92-96.
  • Brehm, Knut: Stiftung Stadtmuseum Berlin : Katalog der Bildwerke; 1780 - 1920, Köln, 2003.
  • Lesser, Katrin: Gartendenkmale in Berlin, Parkanlagen und Stadtplätze , 2013, S. 185-193, bes. 190.
  • Krosigk, Klaus von: Botschaften zur Gartendenkmalpflege : Festschrift für Klaus-Henning von Krosigk ; ein bunter Strauß von Aufsätzen und Essays von Gartendenkmalpflegern und Freunden zum Abschied aus dem Landesdenkmalamt Berlin, Petersberg, 2011.

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